Die Nacht
Da war sie wieder, die kleine Phobie vor einem Tier, dass eigentlich doch auch nur Leben möchte und es nicht anders kennt und trotzdem, wenn man es dann sieht, nicht gerade mit Willkommensgrüßen und Freudensprüngen begrüßt wird.
Nachts begegnet man so vielem, was am Tag verborgen bleibt.
Da sind die, die torkelnd von einer Party kommen und sich glücklich schätzen können, wenn ihr letzter Sinn, ihnen den Weg mach Hause weist und die, die Nachts leben, spazieren oder auch joggen gehen, weil es einfach ruhiger ist, nicht soviele Menschen unterwegs sind aber auch die, die sich die Dunkelheit zu nutzen machen und gegen Gesetze verstoßen, weil sie einfach ungestörter sind und die, die Flaschen sammeln, in Mülleimern nach etwas essbaren suchen, welches die Gesellschaft zur Tageszeit weggeschmissen hat, weil sie im Überfluss lebt.
Wir begegnen vielen Dingen, Menschen und Tieren.
Dem Waschbären, der auf der Straße sitzt und durch den Scheinwerferkegel plötzlich nicht mehr weiss, wo rechts und links ist, die Ratte – der es ziemlich egal ist, ob da jemand auf der Straße schläft, den sie mal anknabbert, um herauszufinden, ob man das was da liegt essen kann.
Nachts ist mehr los, als man sich denken kann, besonders dann, wenn es scheinbar ruhig wird, wenn die Menschen tief und fest schlafen, wenn das Land der Träume geöffnet hat, wenn man denkt, alles ist doch so sehr friedlich, dann wenn der Mond am Himmel steht und auf die Erde hinab lacht, dann wenn wir durch die Nacht fahren und diesen Gedanken überhaupt nicht bestätigen können, denn dann fängt die Dunkelheit erst recht an zu leben.
Alles bewegt sich, Menschen durchwühlen Mülleimer, um ihre Rente durch Pfandflaschen aufzustocken, die kleine alte Dame mit ihrer Gehhilfe, die sich über ein halbes angenagtes Baguette, von wem auch immer freut und es dann auf isst, mit so einer Hingabe, als hätte sie einen Sontagsbraten vor sich stehen
Man hat das Gefühl, die Stille schleicht und schreit leise vor sich her und wenn man jetzt noch mehr in Gedanken versinken würde, könnte man, wenn man ganz genau hinhört, die lauten Schreie der hören, die dort draussen leben, die Schreien von denen, die man sonst nicht sieht oder sehen will oder möchte, die Schreie derer, dessen Schicksal etwas mit ihnen gemacht hat, dass sie eben dort draussen schlafen und leben müssen aber auch derer die sagen, dass eben niemand dort leben muss, derer die sich nicht in die Lage versetzen wollen einfach mal darüber nachzudenken, warum man auf der Straße lebt, warum man sich dieses Leben antut, welches für viele von ihnen irgendwann einmal das Ende bedeutet, viele die gar nicht mehr anders können oder auch wollen, vielen die sich absichtlich von der Gesellschaft distanzieren oder auch gar nicht mehr in einem engen Raum leben können, weil sie viel zu lange keine Wände um sich herum hatten und all das in Kauf nehmen, weil sie seid langer Zeit nichts anderes mehr kannten. Ob alt oder jung, männlich oder weiblich – all diese Wesen haben ein Leben gelebt, sind zur Welt gekommen, hatten Familie und kennen Glücksaugenblicke, bis zu dem Zeitpunkt, als sie das Glück verlassen hat und etwas aus ihnen gemacht hat, was und wo sie heute sind.
Die Nächte sind wie so manch ein Tag, nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie vielleicht ruhiger erscheinen, leiser sind und man viel mehr wahrnehmen kann, doch unterscheiden sie sich nicht viel voneinander, ausser das am Tag alles perfekt erscheint und Nachts das Leben derer beginnt, die sonst nicht gesehen werden.