Fast wie ein Märchen
Fast wie im Märchen
Sie waren Freunde, ganze sechs Jahre lang. Immer wenn der oder die andere was hatte, waren sie stets füreinander da – so soll eine Freundschaft doch auch aussehen und dann dachte sich das Schicksal, irgendwas muss geschehen, damit beide sich näher kommen, dass sie begreifen, dass sie füreinander geschaffen sind.
Was das Schicksal dabei aber wohl außer Acht gelassen hat, war das es vielleicht auch etwas ruhiger hätte gehen können und nicht ganz so hart.
Sie lebte noch vor kurzem bei ihrem Freund, der allerdings behandelte, sie wohl nicht wirklich gut und da war schon lange der Gedanke nicht mehr vorhanden, von einem Miteinander, sondern nur ein „ich will hier raus“ nur wohin!?
Er hatte auch eine Wohnung, doch mit der Zeit veränderte sich der eigentlich gute Draht zu seinem Vermieter so extrem, dass er durch einen Streit mit ihm aus der Wohnung flog.
Und was macht man da? Man ruft seine Freunde an.
Gesagt – getan. Fast zeitgleich riefen sich beide an. Er, sie – weil er ihr von seinem Rausschmiss erzählen wollte und sie, ihn – weil ihr Freund sie kurzerhand vor die Tür gesetzt hatte.
Obdachlos – beide – auf einen Schlag
Dann die Frage wohin, am besten erstmal nur durch die Gegend laufen, versuchen über die Runden zu kommen und ganz wichtig – nicht zu erfrieren, denn es ist in der Nacht immer noch sehr eisig da draußen.
Wie aus dem Nichts, alles verloren und nur die Sachen am Körper, die sie anhatten, als das Schicksal zugeschlagen hatte.
Und dann trafen sie heute auf Michael P. Klotz, der den beiden erst einmal einen Kaffee gab und sie mit etwas Essen versorgte.
Als er dann aber Rat brauchte, was mit den beiden nun passieren, soll – rief er uns an.
Wisst ihr was wir da machen können, fragte er!?
Eigentlich fällt uns immer was ein und der erste Gedanke war die Männerunterkunft, nur wo dann mit ihr hin?
Das würde nicht gut gehen, die beiden haben auf der Straße zueinander gefunden, haben dort festgestellt, dass ihr langjährige Freundschaft eigentlich gar keine Freundschaft war, sondern sehr viel mehr und das konnten sie dann irgendwann auch nicht mehr voneinander verbergen und dann hats eben geknallt.
Frei nach dem Liedtext –
Tausend mal berührt
tausend mal ist nix passiert,
tausend und eine Nacht
und es hat zoom gemacht.
Da hätte eine Trennung nicht funktioniert – er im Bett, mit dem Gedanken – dass sie woanders ist…
Unpassender ging es kaum, aber was kann man schon gegen die Liebe machen – wenn sie kommt, dann ist sie da und der Liebe ist es egal, ob man nun obdachlos ist oder sonst was – es ist halt Liebe.
Also rief ich Andreas an, der auch noch auf Tour war und übermittelte ihm meine Idee, die er auf Anhieb für gut empfand.
Es wäre ein No-Go gewesen, den beiden einen Schlafsack und eine Isomatte zu geben, eine 5 Minuten Terrine und eben das notwendigste, um ein paar Nächte klar zu kommen.
Was die beiden anging, sagte unser Bauchgefühl, dass da eine andere Lösung her musste und nach ein paar Anrufen fanden wir ein Hotel, dass noch ein Zimmer frei hatte.
Dann haben wir uns alle an einem Ort getroffen und plauderten erstmal eine Weile über die bereits geschriebene Situation, machten uns dann mit den beiden auf in das Hotel, gaben jedem noch einen TOM und noch ein paar 5 Minuten Terrinen obendrauf.
Auf dem Weg dahin waren beide sichtlich fassungslos. Sie wollte uns ständig umarmen und er konnte irgendwie gar nicht in Worte fassen, was da gerade in ihm vorging.
Gerade noch wussten wir nicht wohin und gerade noch hatten wir uns ernsthaft Sorgen gemacht, wo wir die nächste Nacht verbringen sollen, irgendwo – wo wir nicht frieren, vor allem einen sicheren Ort – einen Ort der uns beide schützt und uns etwas zur Ruhe kommen lässt und dann lernt man Menschen kennen, die man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie so etwas tun – ob wir überhaupt wüssten, was wir für Menschen sind, fragte sie – ob wir wüssten, dass wir sowas wie Engel sind!?
Ich schaute Andreas an und sagte – was sagst du? Wir sind normale Menschen, die einfach gerne tun, was sie tun – sonst nichts – einfach nur Menschen.
Bis wir sie dann ins Hotelzimmer begleiteten hörte sie gar nicht mehr auf ihre Freude in zigtausend Worte zu verpacken, ganz im Gegenteil zu ihm, der immer noch sprachlos war.
Für morgen haben wir ihnen Stellen genannt, wo sie erstmal winterfeste Kleidung herbekommen, wo man sie weiter berät, um nicht weiterhin auf der Straße leben zu müssen und wir gaben ihnen natürlich unsere Karte, für den Fall – der Fälle.
Die nächsten zwei Nächte müssen sie nicht frieren und wenn sie aufstehen, bekommen sie sogar Frühstück und dann, wenn sie Hilfe bei ihrem Weg, ganz neu anzufangen starten, ist am Tag Michael gerne ihr Ansprechpartner und wenn die Nacht hereinbricht auch wir die Nachteulen – ach ne wir von UNSICHTBAR e.V.
Wir werden sehen, was aus dieser Liebesgeschichte noch wird – vielleicht hat sie ja sogar auch ein schönes Happy End, weil eine Liebeschichte hat doch eigentlich immer ein Happy End, also meistens, oder?
Wir bleiben dran.