Ein Reh – eine lange Tour und ganz viele glückliche Gesichter

Da entscheidet man sich irgendwann mal nach Hause zu fahren, weil man denkt, dass man müde ist und wird eines anderen belehrt, als bei 130 km/h plötzlich ein Reh auf der Autobahn vor einem herschleicht, als hätte es nichts anderes zu tun – als gemütlich über die Fahrbahn zu schlendern.

 

Danach ist man wach – aber sowas von! Alles gut nichts passiert – die Reflexe waren dann doch noch wach!

 

Achtung – hier kommt viel Text, aber es war ja auch eine lange Nacht!

 

Heute wurde aus einer kleinen Runde, eine Doppeltour, die scheinbar kein Ende nehmen sollte.

 

Zuerst ging es mit Rebecca raus auf die Straße. Nach einem kurzen Stopp bei Bea, setzten wir unsere Fahrt fort, die uns eigentlich nach Hohenlimburg bringen sollte, aber dort hatten wir niemanden angetroffen.

 

Danach ging es dann in die City von Hagen, wo wir auf viele obdachlose Menschen gestoßen sind, aber es war wohl noch nicht die richtige Zeit, um herauszufinden, wer von ihnen nun die heutige Nacht auf der Straße verbringen würde.

 

Leider war auch an dieser Stelle, sehr viel Alkohol und Aggressionen untereinander im Spiel, so dass Rebecca und ich uns entschlossen, erst einmal woanders hinzufahren.

 

Also ab ins Auto und keine fünf Meter weiter, kam uns Bianca (Name geändert) winkend entgegen.

Über sie haben wir schon öfters geschrieben und auch heute strahlte sie über beide Ohren, als sie uns sah.

 

Danach war ich dann erstmal „unsichtbar“, denn die Damen sprachen unter sich, aber ich durfte zuhören.

 

Manchmal brauchen Frauen scheinbar einfach auch mal nur ein weibliches Ohr und die Männer müssen dann eben still sein.

 

Bianca erzählte, dass sie einer Freundin Obdach gewährt hatte, diese sie von ihr aber direkt am nächsten Morgen beklaut worden sei und sie war richtig wütend und gleichzeitig traurig darüber, dass ihre Gutmütigkeit so missbraucht wurde und sie würde immer noch nicht verstehen, warum Menschen, die in der gleichen Lage sind, wie sie, doch eigentlich wissen müssten, wie verheerend so manch eine Situation sein kann und diese dann trotzdem scharmlos ausgenutzt werden würde.

 

Irgendwann wollten wir dann weiter und wie aus Gedankenübertragung, schrieb in dem Augenblick – Thorsten, dass er Unmengen an Katzenfutter, für Bianca hätte.

Rebecca hechtete hinter ihr her, um ihr diese Nachricht zu überbringen und die Freude darüber, war ihr sichtlich ins Gesicht geschrieben.

 

Also ab nach Wuppertal, Katzenfutter holen und wieder zurück nach Hagen – zur gleichen Zeit bekamen wir eine Nachricht aus Bochum, die aber dann doch nicht so brisant erschien und wir sie eigentlich auf morgen, also heute verschieben wollten.

 

Bianca, der wir das Katzenfutter brauchten, bedankte sich mit den Worten „Ich habe euch lieb und passt auf euch auf“ und dann ging es erstmal für Rebecca nach Hause – die mir aus ihrem Auto noch einen Rucksack mit auf den Weg gab, falls wir in nächster Zeit jemanden finden würden, der diesen wirklich brauchen würde.

 

Ich setzte die Fahrt von dort aus, erstmal in Richtung Tankstelle fort und als hätte ich es geahnt, war es noch nicht der Zeitpunkt nach Hause zu fahren.

 

So war es dann auch – der Abend war noch nicht vorbei!

 

Eine Meldung, die mich aus Hagen erreichte, musste ich nachgehen aber das Ganze allein, wäre zwar gegangen, aber zu zweit ist es einfach besser – nur wen sollte ich aus dem Bett jagen – um die Uhrzeit? Keine gute Idee, trotz alle dem schrieb ich in unser Straßenteamchat, dass ich mich nun allein auf den Weg machen würde – man kann ja nie wissen und als ich mich gerade auf den Weg machen wollte, schrieb Jens mich an, dass er sich fertig machen würde und ich ihn abholen kann.

 

Mega – was für ein großartiges Team!

 

Als ich dann Jens im Auto hatte und wir nach Hagen fuhren, fanden wir zwar die gemeldete Person nicht vor aber uns viel ein Herr auf einer Parkbank auf, der sich gerade in Bewegung setzen wollte, wenn man das so nennen kann.

Keine fünf Meter weiter viel er wie ein nasser Stein um und wir beeilten uns, um zu schauen, ob ihm was passiert ist.

Nun was soll man sagen? Eigentlich ging es ihm gut, aber eigentlich konnten wir ihn auch so nicht alleine lassen und eigentlich wäre er weder was für die Polizei noch für einen RTW gewesen – als was tun!?

 

Jens packte ihn links unter dem Arm und auf der rechten Seite und wir begleiteten ihn erstmal zur nächsten Parkbank.

 

Wir fragten wohin es denn gehen sollte und zugegeben, er war stark alkoholisiert und als Antwort kam dann – „nach Hause – nur wie und ja ich habe zu viel getrunken.“

 

Was machen wir von UNSICHTBAR e.V. also – wir entscheiden nicht nur aus dem Herzen, sondern auch aus dem Bauchgefühl heraus.

 

Ich schaute Jens an und er sagte – Taxi? Genau das war auch mein Gedanke.

 

Nachdem der Herr uns verriet, wo er wohnte – organisierten wir ein Taxi, bezahlten es und schickten ihn nach Hause – hoffentlich ist er gut in seinem Bett angekommen.

 

Nicht urteilen, auch nicht verurteilen – dafür sind Gerichte zuständig und da wir keine Richter sind, helfen wir eben, wo wir können und wenn es wie in dem Fall so ist, dass wir jemanden mit dem Taxi nach Hause schicken, weil er bei den Temperaturen, die Nacht wohl schlecht überstanden hätte, vor allem mit dem Alkoholgehalt, hätte er gar nicht mitbekommen, wie die Kälte in ihn eingedrungen wäre und was dann hätte passieren können, darüber brauchen wir wohl kaum zu reden.

 

Nachdem der Herr gerade im Taxi saß, ging das Telefon erneut – ein Anruf aus Bochum.

 

Ihr werdet hier gebraucht, würdet ihr vielleicht um die Uhrzeit noch vorbeikommen, fragte der Anrufer?

 

Das war um 01:25 Uhr

 

Na klar, was für eine Frage – auch wenn meine erste Tour bereits um 19:00 Uhr begonnen hatte und die Zweite dann mit Jens um 00:30 Uhr fortgesetzt hatte und hin und wieder der Kopf mal fragte ob ich noch ganz dicht bin – war es keine Frage!

 

Wir halten was wir versprechen und dazu stehen wir!

 

Also ging es nach Bochum, die Lage war wohl doch brisanter, als wir anfangs gedacht hätten.

 

Die Autobahn gehörte uns allein und wir waren relativ schnell in Bochum – auf dem Hinweg dorthin, waren auch noch keine schlafwandelnden Rehe unterwegs.

 

Und dann waren wir da und uns erwarteten drei obdachlose Menschen, einen von ihn kannten wir, dass war der Herr – der uns angerufen hatte und die beiden anderen waren uns neu.

 

Eine Dame und ein Herr, die nicht glauben wollten, bis sie uns dann sahen, dass es wirklich Menschen gibt, die um die Uhrzeit noch vorbeikommen und ihre Hilfe anbieten würden.

 

Nach Kaffee und Süppchen, gab es obendrauf noch für beide einen Schlafsack und einen TOM – die Dame versprach mir, bei den beiden Herren zu bleiben, weil ich mir Sorgen um sie machte und kein gutes Gefühl gehabt hätte, sie alleine in Nacht hinein gehen zu lassen.

 

Sie gab mir ihr Ehrenwort und liebe Becci – dein Rucksack ist gut angekommen.

 

Ich würde euch für all das so gerne in den Arm nehmen, wenn ich es dann nur dürfte und ich weiß auch nicht, wie ich mich für all das bedanken soll, sagte sie.

 

Sowas hält wach und gibt uns Kraft immer und immer weiterzumachen.

 

Danach ging es noch kurz zum Bahnhof, wo wir weitere zwei obdachlose Herren antrafen, die uns anfänglich für ein bisschen gaga hielten, als wir sie fragten, ob sie einen Kaffee haben wollten.

 

Wortlaut:

Seid ihr bescheuert? Um die Uhrzeit fahrt ihr durch die Gegend um uns Menschen wärme zu schenken?

 

Ja wir sind bescheuert, aber wir sind gerne bescheuert und auch hier durften wir mit einem Schlafsack und einer Isomatte helfen.

 

Und dann – dann ging es nach Hause, gegen 03:00 Uhr brachte ich Jens nach Hause – ich danke dir, dass du mich um die Uhrzeit noch begleitet hast und um kurz vor 05:00 Uhr sitze ich nun hier und schreibe diesen Bericht.

 

Um 08:00 Uhr habe ich den nächsten Termin, der dann um 11:00 Uhr durch den nächsten folgt und heute Abend um 19:00 Uhr geht es dann wieder auf die Straße, um denen zu helfen, die unsere Hilfe mit großer Freude annehmen.

 

Ich wünsche euch einen guten Schlaf, träumt was Schönes