Unser Fahrradfahrer war so nah am Leben, was wir als normal erachten, und doch gleichzeitig so weit weg …
Unser Fahrradfahrer war so nah am Leben, was wir als normal erachten, und doch gleichzeitig so weit weg …
Erst gestern noch hatte ich mich mit einem Streetworker unterhalten, der Obdachlosenhilfe, sowie wir sie ausüben, bisher gar nicht kannte.
Nun kennt er eine andere Art und Weise wie sowas aussehen kann und nun kennt er auch UNSICHTBAR e.V.
Auch der Reporter vom ARD bezeichnete in den letzten Tagen, das – wie wir arbeiten, als krass und war erstaunt darüber, wie lange wir rausfahren und auch über das – wie lange wir bis in die Nacht hinein, erreichbar sind.
Bericht Mega-Tour 15./.16.10.2021
Auf der heutigen Tour durfte ich mit Olaf und Sabine fahren, Olaf sammelte erst mich ein und dann holten wir Sabine ab.
Beim Einsteigen erzählte uns Sabine, dass sie eine Stelle gesehen, aber dort niemanden angetroffen hätte. Ob wir da mal vorbeifahren wollten?
Natürlich wollten wir! Das ist ja unser Ziel und unsere Aufgabe in der Nacht, Menschen zu helfen und sie, so gut es geht, zu unterstützen.
Nach kurzer Fahrt und guter Unterweisung von Sabine erreichten wir die Stelle.
An einem geschützten Ort war ein Zelt aufgeschlagen, es stand ein Fahrrad dabei und man konnte Licht im Zelt erkennen.
Nach einem freundlichen Gruß und dem Hinweis, wer draußen mit drei Taschenlampen im Dunkeln steht, kam ein junger Mann heraus, der sich freute, uns zu sehen. Auf unsere Fragen, ob er etwas bräuchte, verneinte er freundlich, gab uns dann auch direkt die Erklärung hinzu.
Er wäre die letzte Nacht dort und würde am heutigen Samstag seine Sachen und das Zelt packen und mit seinem Fahrrad zu seiner Mutter fahren, mit der er sich nach einem Streit wohl wieder soweit versöhnt hatte, dass er wieder in die Obhut einer Wohnung und seiner Familie zurückkehren könnte.
Er erzählte uns auch mit einem fröhlichen Gesicht, dass er auch eine Stelle in Aussicht hätte.
Da er auch auf nochmalige Rückfrage nichts haben wollte, noch nicht einmal einen Kaffee oder eine heiße Suppe, wünschten wir ihm für seine Zukunft alles Gute, vor allem für das Verhältnis zu seiner Mutter und auch für die in Aussicht stehende Stelle.
Das Lächeln und das Leuchten um seine Augen, als er sich bedankte und uns auch alles Gute wünschte, sind Momente des Antriebs für uns.
Auf der Weiterfahrt nach Bochum erreichte uns ein Anruf von Holger, der eine Meldung hereinbekommen hatte, an einem uns bisher unbekannten Ort würden sich mehrere Personen aufhalten. Holger bat uns, vorsichtig zu sein, man weiß ja nie, wie viele Personen dort sind, wie die Lokalität aussieht, wie die Menschen gerade drauf sind.
Wir fanden die angegebene Stelle und hatten nach Olafs freundlichem Zuruf auch eine Antwort.
Es war gestern nur eine Person vor Ort, die andere hatte Holger angerufen, war aber in der Stadt, wo wir ihn noch zu einem späteren Zeitpunkt treffen sollten.
Hier an dieser Stelle trafen wir einen Menschen an, der sich über einen Kaffee, eine Suppe, Süßigkeiten und eine Apfelschorle freute, aber ansonsten gut ausgestattet war. Auch seine Schlafstätte war vor Regen und Wind geschützt, so dass wir uns „nur“ ein wenig mit ihm unterhielten.
Er hatte auch ein Fahrrad und erzählte von seinem Plan, bei Gelegenheit und wenn er Lust hätte, in den Osten von Deutschland zu fahren. Ansonsten würde er von Spenden gut leben können, die an drei Stellen in Bochum an Gabenzäunen angehängt wären. Er bedankte sich mehrmals sowohl für die Suppe und Getränke und noch mehr für unsere Zeit und das Gespräch.
Es war schon eher außerhalb, im Dunkeln, sehr abseits. Luftlinie 50 Meter weiter feierten mehrere junge Leute ihre eigene Party und hatten trotz niedriger Temperaturen ihren Spaß.
Unser Fahrradfahrer war so nah am Leben, was wir als normal erachten, und doch gleichzeitig so weit weg …
Von dort aus fuhren wir zu einem uns bekannten Ort, wo wir heute eine Gruppe antrafen, denen wir mit zwei Schlafsäcken und einem TOM, aber auch mit Kaffee und Suppen helfen konnten.
Während wir sprachen, kamen zwei freundliche Herren vom Ordnungsamt hinzu, die uns in unseren grünen Jacken als UNSICHTBAR e.V. erkannten, und sich mit hinzugesellten. Eine Teilnehmerin der Gruppe hatte in dieser Woche Geburtstag, so wie übrigens der Fahrradfahrer auch.
Während der Fahrradfahrer vorher meinte, dass er um Geburtstage nichts mehr geben würde, hat die junge Frau vielleicht in ihrer Gruppe etwas Geborgenheit an ihrem eigentlich freudigen Tag gehabt.
Wir verabschiedeten uns von den Herren vom Ordnungsamt und auch der Gruppe und gingen unter Danksagungen und guten Wünschen zum Wagen zurück.
Nun fuhren wir an einigen uns bekannten Stellen vorbei, während Olaf versuchte, den Kollegen vom Fahrradfahrer und Melder desselbigen von unserem Besuch zu unterrichten. Es ging aber niemand ran, so dass wir weiter Ausschau hielten. Während dessen erhielten wir einen Anruf eines Olaf bekannten Herrn, der fragte, ob wir soeben seinen Kollegen angerufen hätten. Als wir dies bejahten, gab er uns den Standort seiner kleinen Gruppe durch und wir fuhren dort hin.
Kurz drauf rief uns Holger an und erzählte von dem Anruf des Herrn an ihn, er wäre mit der Gruppe an dem uns inzwischen auch bekanntgegebenen Ort.
Auch wenn das jetzt eine zweifache Meldung war, ist es gut, dass Holger auch nachts erreichbar ist und die Meldungen weitergeben kann. Und gut ist es auch, dass unsere Menschen dort draußen sich selbst und auch Kollegen melden, um sich und denen helfen zu lassen!
Nach ein paar Tassen Kaffee, einigen Suppen und einem Schlafsack sowie einem netten Plausch sind wir weitergefahren, nicht ohne alles Gute und eine gute Nacht zu wünschen.
Zwei bekannte Personen konnten wir nicht an den üblichen Orten finden, zwei weitere waren an ihrem alten Ort nicht anwesend, dafür schlief dort ein neuer Herr, aber so tief und fest, dass er trotz freundlicher Ansprache nicht wach wurde.
Ein Olaf und Sabine schon bekannter netter und sehr höflicher älterer Herr freute sich über einen Kaffee, natürlich „schwarz wie die Nacht“, brauchte aber sonst nichts
Wir entschieden uns, auf dem Weg nach Hagen noch einen Abstecher ins Lager zu machen, um neues heißes Wasser und auch neue Suppen mitzunehmen.
In Hagen war es schon so spät, dass nur noch wenig Leute unterwegs waren.
Auf unserer Rundfahrt durch die Fußgängerzone und die Randgebiete trafen wir eine Person an, die aber an keinem Austausch interessiert war und ihren Weg weitersetzte.
Zum Schluss besuchten wir noch eine geschützte Stelle und fanden dort auch bekannte zwei Herren vor, die sich über Kaffee, vorher neu eingepackten Linseneintopf und Wasser freuten. Nach einem kurzen Plausch entschieden wir, dass wir die heutige Tour beenden und nach Hause fahren würden.
Nachdem Olaf uns dann jeweils zu Hause abgesetzt hatte, war das warme und weiche Bett eine Wohltat.
Obwohl wir wieder viele Persönliche Schicksale gesehen haben, die nicht den Schutz einer Wohnung und den Komfort eines warmen und weichen Betts und heißem Wasser haben, haben wir gute Gespräche geführt und einigen Menschen nicht nur warme Getränke und Speisen sowie Schlafsäcke und einen Tom gegeben, sondern auch das Gefühl, dass jemand an sie denkt.
Mein Dank geht natürlich an Olaf und Sabine, es war eine sehr angenehme und abseits der Bedürftigen und deren Probleme auch sehr humorvolle Tour.
Erklärung MEGA Tour
Unser „normalen“ Touren finden in der Woche bis in die Nacht hinein statt, ganz im Gegensatz zu unseren MEGA Touren, die bis in die frühen Morgenstunden hinein gehen.
Abgesehen davon, sind wir von 20:00 Uhr bis morgens um 05:00 abrufbar und fahren über unsere geplanten Touren hinaus, in diesem Zeitraum zu jeder Stelle, die uns in diesem Zeitraum gemeldet wird.
Einfach eine WhatsApp mit dem Standort, der gesichteten obdachlosen Person, an die 0176 34347385 und schon machen wir uns auf den Weg.