Magenkrebs

Guck mal, die Sonne geht schon auf und Björn schaute in den Himmel und stellte fest, dass wir schon wieder etwas sehr früh hatten, während ich mich aus dem Auto rausquälte, weil ich mir wohl auf der letzten Tour ein kleines bisschen Zug geholt hatte und irgendwie alles weh tat, was weh tun konnte.

Sabine hingegen stand vor uns und schaute uns nur an und dann ging es ins Lager, wo heute auch alles begonnen hatte.

Erst fuhren wir eine Meldung in Hagen an, dann ging es nach Wuppertal wo wir ein Buch von „Halt`s Maul, Paul“ zu einer Dame brachten, die sich sehr darauf freute, deren Nächte sehr einsam sind, seitdem ihr Mann verstorben ist und nachdem ich ihr von dem Buch erzählte, sie sich riesig freute, es lesen zu können.

Vielleicht sitzt sie ja demnächst dann nicht mehr in der Küche und versucht um jeden Preis wach zu bleiben, um nicht einzuschlafen und dann von den schönen Zeiten zu träumen, sondern legt sich wirklich mal hin, nimmt sich das Buch und kommt auf ein paar andere Gedanken.

Ich wünsche es ihr von Herzen

Wem ich auch von Herzen gönne schon bald wieder ein bisschen Licht am Ende des Tunnels zu sehen, ist der Herr, bei dem Magenkrebs diagnostiziert wurde und der, nachdem er den Krebs entfernt bekam und nun einmal die Woche zu Chemotherapie muss, auf der Straße, zusammen mit seinem Sohn und seinem Hund lebt.

Der Sohn könnte bei seiner Mutter leben, aber er will seinen Vater nicht alleine lassen, für ihn da sein, falls etwas Schlimmeres passiert und auch der Hund schenkt den Beiden, ein kleines bisschen Geborgenheit.

Die Situation, in der sie leben, ist ganz schlimm, denn in der Nacht kommen regelmäßig die Ratten zu ihnen und von Ruhe ist keine Spur, des Weiteren ist die Art und Weise, wie die beiden leben, besonders für den Vater lebensgefährlich, denn nicht nur das er durch seine Krebserkrankung körperlich sehr geschwächt ist, verlangt die Chemotherapie das Letzte von ihm ab.

Wäre nicht sein Sohn und die treue Seele Hund, wir wissen nicht, ob es den Herrn überhaupt noch geben würde.

Eine Geschichte, die uns heute die ganze Nacht begleitet hat, uns nicht losgelassen hat, weil sie eine dieser Geschichten ist, die einfach nur schrecklich sind und dann beschwere ich mich über meine Muskelschmerzen, schaue zu dem Herrn hinüber und packe mich an den Kopf, dass nicht ich der sein sollte, der jammert, sondern der Herr, der aber gar nicht jammert, eigentlich das Recht dazu hatte.

An einer weiteren Stelle wurden wir von der Polizei freundlich begrüßt, die gerade einen Platz räumten und sich im Anschluss noch mit uns unterhielten. Es war ein gutes Gespräch und zum Ende hin wünschten wir uns allen noch einen ruhigen Abend.

An dieser Stelle durften wir auch gleich mehreren Menschen mit etwas Warmen helfen und uns noch einige Zeit mit ihnen unterhalten.

Die Platzräumung fand statt, weil der Ort, an dem sich die Herren aufhielten, am Tag viel Durchgangsverkehr hat und sie diesen leider nicht wirklich sauber gehalten haben. Näher möchte ich da jetzt aber nicht drauf eingehen.

Und nein die Polizei sind nicht bösen, die Menschen machen einfach ihren Job, sie tun das was sie tun müssen und sie waren nicht nur zu uns freundlich, auch zu den obdachlosen Herren, waren sie nett und haben viel mit ihnen gesprochen.

Dieses – die Polizei geht mit diesen Menschen schlecht um, ist an den Haaren herbeigezogen – wir haben bisher keine Situation im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis, Wuppertal oder Hagen erlebt, wo ein Beamter schlecht mit einem dieser Menschen umgegangen ist.

Und dann fuhren wir noch weitere Stellen an und entschlossen uns noch einmal nach Hagen zu fahren, weil wir zurzeit dort jemanden suchen, die Person aber nicht finden und das macht uns Sorgen.

Eine weitere Polizeistreife, die wir antrafen, fragten wir gezielt nach der Person und diese meinten, dass sie wohl jemanden kennengelernt habe und dort eine Bleibe gefunden hat.

Das ist schon öfters vorgekommen aber nicht immer gut ausgegangen – hoffen wir mal das Beste.

Nachdem wir dann noch einer Person helfen durften, fuhren wir dann zurück – setzten uns noch für einen Moment an den Tisch, sprachen nochmal kurz über die Tour und spürten dann, wie die Müdigkeit über uns kam.

Also ab nach Hause – noch eben den Bericht schreiben, dann gleich noch einreiben und dann zur Ruhe kommen und dann war er wieder da der Gedanke an den Herrn, der mit seinem Sohn und seinem Hund und die Hoffnung, dass für alle die, die dieses Leben ertragen müssen, irgendwann ein Licht am Ende des Tunnels erscheint.

Dafür bete ich jede Nacht, die ich in einem warmen Bett verbringen darf.

Heute Nacht durften wir zahlreichen Menschen helfen – insgesamt waren es 17 obdachlosen Menschen – 17 Seelen, die dort draußen auf der Straße schlafen, weil ihnen irgendwas in ihrem Leben passiert ist, deren Geschichten wir kennen, der Leben sie uns erzählt haben, deren Gesichtsausdrücke wir jede Nacht mit nach Hause nehmen und deren Blut genau das selbe ist, wie das Blut – dass auch in uns fließt – sie sind alles Menschen, genauso wie du und ich einer sind – sie sind nichts anderes, nichts besseres und auch nichts schlechteres – all diese Wesen haben ein schönes Leben verdient zu leben, sowie wir es bereits leben.

Und deshalb schaut hin, geht auf die Menschen zu, interessiert Euch für ihre Geschichten, verurteilt sie nicht und respektiert jeden einzelnen von ihnen – denn dieses Leben, ist nur ein Hauch von dem entfernt, wie wir es leben.

Es geht schneller, als man denken kann!