Ich bete für jeden Menschen

Ich weiß schon gar nicht mehr wieviel Berichte ich geschrieben habe, was ich weiß ist, dass es sehr viele waren und lang waren sie, tief, oftmals zugegeben mit einer Prise Melancholie versehen und wie man mir hin und wieder berichtet, auch Menschen dazu gebracht haben, mit Tränen vor dem Rechner zu sitzen.

Berichte die unterschiedlicher nicht sein können aber immer so geschrieben, wie ich sie in dem Augenblick empfunden habe.

Heute sind wir, Tanja – Monika und ich (Holger) erst einmal nach #Breckerfeld gefahren, denn dort wurden uns zwei ältere Herren gemeldet, nach denen wir doch mal schauen möchten.

Gersten schon war ich einmal allein schauen, heute dann im Team aber beide Male, war niemand zu finden.

Dann ging es weiter und während wir heute wieder vielen Menschen in #Hagen helfen konnten, war dann plötzlich eine Situation, die meinen Gedanken im Kreis fahren ließen und auf der anderen Seite, mir ein Lächeln schenkte.

Quasi Kopfkino in Überlänge

Wir trafen auf eine Person, die sich bei uns gemeldet hatte, weil ihm von einem anderen obdachlosen Herrn gesagt wurde, wenn du UNSICHTBAR e.V. anrufst, zögern die nicht lange und kommen raus, um zu helfen.

So war es dann auch und so wird es immer sein.
Wir reden nicht lange – wir machen!

Als wir dort an einem verabredeten Punkt ankamen, trafen wir auf eine Gruppe, die auf uns wartete und sich über Kaffee, Suppen und Wasser und Eistee freuten und währen die Damen sich um die Menschen kümmerten, kümmerte ich mich um den Hund, in dem sie ein Leckerchen nach dem anderen bekam.

Erinnerungen an Ben kann ich nicht von der Hand weisen. Ich sah ihn plötzlich vor mir stehen, mit seinen riesigen Teddyaugen, die einem gar nichts anderes übrig ließen, als Leckerchen zu verteilen.

Auch der Kuschelfaktor stand ganz weit oben und bloß nicht weggehen – kuscheln ist so sehr viel schöner.

Ein Augenblick ohne Worte, ein Augenblick in dem ich mein verstorbenes Baby, nur in einer anderen Hunderasse vor mir stehen sah. Ben war ein Labrador und die Dame, die ein Leckerchen nach dem anderen bekam, ein Schäferhund Mix und sie war so sehr lieb und hatte auch eine Geschichte, die sie mit sich trug, denn als sie 7 Jahre alt war, verstarb ihr Herrchen und damit sie nicht in Tierheim musste, nahm sie ihr jetziger Besitzer zu sich auf, der seit heute mit ihr auf der Straße lebt.

Und wo ich gerade davon schreibe, dass ich in diesem Hund, irgendwie meinen Ben sah, sah ich in dem jungen Mann, der einem Familienmitglied von mir zum verwechseln ähnlich sah, eine Person – die nicht dahin gehörte und so fragte ich ihn wie es dazu kam, dass er auf der Straße lebt und ich hörte mir seine Geschichte an.

Sein Weg zurück in eine kleine Wohnung sollte aber recht schnell gehen, so war sein Plan. Seine Unterlagen liegen bereits beim Amt vor und er ist schon auf der Suche nach einer Wohnung für ihn und seine Begleiterin.

Es sind Momente, die lassen uns manchmal hart wie Stein aussehen, weil wir wirklich schon viel erlebt haben und wir diesen Selbstschutz einfach irgendwann aufgebaut haben, um nicht jede Nacht immer und immer wieder dieses Leid und dieses entsetzliche Elend in Gedanken mit nach Hause zu nehmen, denn das würde auch uns – irgendwann einmal umbringen.

Und doch gibt es Momente und Situationen, in denen lässt der Kopf es nicht zu, diese Steinwand aufrecht zu erhalten, weil es Sekunden und Minuten sind, die einen an Seelenverwandte – sowie es mein Hund für mich war und Menschen erinnert, die uns sehr nahe stehen und man sich einfach nur wünscht, dass diese Wesen bitte nicht, den Weg vieler anderer gehen und kein Zurück finden.

Ich drücke dem Herrn und seinem Hund, sowie ich auch vielen anderen Menschen, die auf der Straße leben, die Daumen drücke, ihren Weg zu gehen aber der Gedanke und diesen Gedanken werde ich heute mit ins Bett nehmen, ist der – dass ich diesen Herrn in ein paar Monaten wieder treffen werden, weil er es dann doch nicht geschafft hat, weil er irgendeiner Sucht nicht wiederstehen konnte, weil er sich verändert hat und weil er vielleicht, wie ganz viele andere Menschen, in dieser Situation aufgegeben hat.

Ich bete für jeden Menschen, dass sie es schaffen werden aber ganz besonders bete ich das dieser Herr und sein Hund, schnellstmöglich von der Straße wegkommt, denn hingehören – tun beide nicht dorthin.

 

Das Bild von der Gruppe wurde mit Genehmigung aller Menschen fotografiert und alle bestanden darauf, dass wir ein Gruppenbild von ihnen zu machen, mit dem Wortlaut:

Es sollen so viel Menschen wie nur möglich, da draußen erfahren, was wir von UNSICHTBAR e.V. für eine wertvolle Arbeit in der Nacht auf der Straße leisten und wie wichtig wir für jeden einzelnen für sie sind.

Der Bitte sind wir gerne nachgekommen!