Unsere Tour durch Wuppertal gestern war eigentlich ganz „normal“:
Unsere Tour durch Wuppertal gestern war eigentlich ganz „normal“: bekannte und neue Obdachlose treffen, Gespräche führen, Hunger und Durst stillen,…helfen eben, wo sonst niemand hilft.
Und dann wird man, wie so oft, mit Fragen und Gedanken konfrontiert, die einen nicht loslassen – ausgelöst durch ein Ereignis, ein Thema, einen Satz.
Gestern war es der wunderbare und vernünftige Plan eines alten Bekannten: Entgiftung, Substitutionsprogramm, Wohnung, Arbeit, normales Leben. Er ist seit über 20 Jahren auf der Straße und dem Team sehr ans Herz gewachsen. „Irgendwann will man ja auch nicht mehr.“ Der Anfang ist gemacht: Gedanke ist da im Kopf, die Diakonie hilft, der Betreuer unterstützt, wir reden ihm schon lange zu… alles auf dem Weg. Morgen soll es losgehen. Und während er erzählt und Pläne schmiedet, könnte man denken: Genau – so geht es und so schwer wird es ja auch nicht sein. So unglaublich schöne Aussichten gegenüber diesem elenden und harten Leben im Abseits. Und letztendlich oft auch Rettung vor dem „Straßentod“.
Aber so einfach ist es leider nicht;
es wird unendlich schwer werden, diesen Absprung zu schaffen!
Das fühlt er auch, denn immer wieder mischen sich leise Zweifel in seine Zukunftspläne. „Werde ich von der Droge loskommen? Kann sein, dass ich dann nur in der Wohnung schlafe, sonst fühle ich mich eingesperrt. Was macht man eigentlich dann den ganzen Tag?“
Es gehört ein sehr starker Wille dazu, diesen Weg konsequent zu gehen – alleine. Letztendlich geht man ihn ja nur mit sich, trotz professioneller Hilfe von außen. Obdachlose haben niemanden, der sie in den Arm nimmt und festhält, die Geister verscheucht. Die Droge hat ja auch einen Grund und der muss aufgearbeitet werden, sonst Rückfall. Wird das “ Wollen wollen“ ausreichen?
Wenn bisher jeder Tag mit dem Gedanken begann: „Wie komme ich heute an meinen Stoff?“ Wenn er komplett von diesem Thema, inklusive Beschaffen und Konsumieren, bestimmt wurde, ist es auch schwer, sich ein anderes Leben überhaupt vorzustellen. Der Entzug mit allen körperlichen Folgen ist das eine – das Leben in einer Gesellschaft, deren Alltag und Spielregeln einem meist fremd geworden sind, das andere. Das ganze soziale Umfeld befand sich ja auf der Straße und oft flüchten sie in dieses
„Zuhause“ zurück.
Viele schaffen es eben nicht!
Wir wünschen aus tiefstem Herzen dass unserem Bekannten jetzt erst einmal der Start gelingt, reden zu, machen Mut: „Ja, es wird nicht einfach werden, aber du musst einen Schritt vor den anderen machen und dann schaffst du es.“
An diesem Abend und in der Nacht begegnen wir auch wieder neuen Gesichtern. Junge Menschen, erst seit ein paar Tagen auf der Straße und noch hat dieses neue Leben bei ihnen wenig Spuren hinterlassen. Jetzt ist der Absprung noch leicht! Aber…
All diese Gedanken und ungelösten Fragen begleiten uns in der Nacht dann auch auf dem Weg nach Hause.