Wir erzählen deine Geschichte „4 ManGroup“
Wir von UNSICHTBAR e.V. bieten Menschen an, uns ihre Geschichten und Erfahrungen zu erzählen, die wir dann mit ihrer Zustimmung veröffentlichen und bekannt machen.
Hast auch du eine Geschichte oder eine Erfahrung aus den Bereichen „Obdachlosigkeit“ oder von „sozial schwachen Menschen“, die du selber erfahren oder erlebt hast, dann schick Sie uns zu.
Wir machen das öffentlich, was die Medien nicht interessiert.
Wir nennen keine richtigen Städte, erwähnen keine originalen Namen und veröffentlichen keine Bilder, ohne die Zustimmung von Personen, die evtl. darauf zu sehen sind.
Macht bekannt, was andere verschweigen – wir helfen Euch dabei – Tatsachen auf den Tisch zu legen.
Hallo,
euer Aufruf hat mich sehr berührt. Vielleicht ist meine Geschichte nicht das, was ihr wolltet, aber ich möchte sie euch gerne erzählen. Ich komme aus einem gutbürgerlichem zuhause. Meine Eltern mussten sehr viel arbeiten. Obdachlose wurden bei uns Bettler genannt und waren zu faul zum Arbeiten. Im ganzen Bekanntenkreis usw., ihr wisst, was ich meine.
Wir wohnen in einer Kleinstadt und ich bin ganz tief in die Drogenszene abgetaucht. Alle waren verzweifelt. Aber wisst ihr? Am Bahnhof war immer so ne 4 ManGroup (so habe ich sie immer genannt). ohne Heim, ohne alles. Es war kalt, es gab noch keine Tafel, es stank fürchterlich.
Diese 4 Männer, hatten teilweise Hände wie Bratpfannen, weil immer gearbeitet. Aber irgendwie den Faden verloren, wie ich. Alle waren über 50. Nach einiger Zeit fingen wir an, uns zu unterhalten. Ich konnte das nicht glauben, dass Menschen kein Heim haben und sie konnten nicht glauben, das ein junger Mensch sein Leben verschenken will. Aber nie ist ein böses Wort oder ein Vorwurf zwischen uns gefallen. Sie fingen an, auf mich aufzupassen, wussten, mit welchem Zug ich nach Hause komme, holten das Taxi usw.
Meiner Mutter habe ich davon erzählt. Das mich das an nervt, mein eigenes Leben, noch mehr Aufpasser, das übliche Blablabla eben. Insgeheim fand ich es toll, aber wer gibt das in so einer Situation schon zu?
Sie ist dorthin gefahren, zum Bahnhof. Sie hat mit ihnen gesprochen, was weiß ich nicht, sie hat es mitgenommen. Aber ich musste immer Pakete mit Essen zum Bahnhof mitnehmen, die dankbar angenommen wurden. So ging es Jahre.
Vieles habe ich erst im Nachhinein erfahren. Es wurde sich sehr viel um die alten Herrschaften bemüht. Einer lag mir besonders am Herzen, als ich eines nachts wiederkam, hat er so geweint. Er meinte, er wäre krank und müsste in ein Heim. Er hatte so eine Angst davor, mit den Regeln nicht mehr klarzukommen. Mit dem trinken hatte er schon Wochen vorher aufgehört, wegen seiner Gesundheit.
Die 4 wurden aufgrund ihres Alters alle in ein Heim eingewiesen. 1 starb nach 2 Wochen. 2 verlebten noch relativ gute (und spitzbübische) Jahre im Heim und der 4. wurde von seiner Familie gefunden.
Das ist jetzt 20 Jahre her und trotzdem denke ich immer wieder daran zurück. Das waren Männer, die mir geholfen haben und ich ihnen vielleicht auch, wer weiß? Aber deshalb weiß ich, hinter jedem Obdachlosen steckt eine Geschichte.
Sie sind aus den gleichen Gründen obdachlos geworden wie heute. Arbeitslosigkeit, Trennung, Schulden, Scham, Sucht.
Ich bewundere euch für die Kraft und das Engagement, was ihr aufbringt. Das kann nicht jeder.
Bin leider einer davon.
Macht weiter und gebt nicht auf.
Anmerkung: Dieser Text wurde so übernommen, wie er uns zugeschickt wurde