Mach es gut
Erst vor ein paar Monaten saß ich neben diesem Herrn auf einer Bank in Gevelsberg und führte ein längeres Gespräch mit ihm und während er einen Kaffee trank, erzählte er mir ein bisschen aus seinem Leben.
Von einer guten Freundin, die neben ihm in seiner Wohnung lebte und mit der er sich immer gut verstanden hatte.
Über sein Leben, dass nicht immer perfekt war aber ein Leben, das man leben konnte und das er auch leben wollte.
Und dann erst letztens (darüber hatte ich geschrieben) begegnete ich ihm in einem vollkommen anderen Zustand.
Das war der Herr, der mich anschaute und mir sagte, was er doch für ein schlechter Mensch sein und dem ich sagte, dass er kein schlechter Mensch ist aber im Leben halt nicht immer alles gerade läuft und hinzukommt, dass so manch eine Sucht, so manch ein Leben nicht unbedingt glücklicher macht.
Er lebte in einem Haus in Gevelsberg, in dem vor Monaten ein Feuer ausgebrochen war und er deshalb das Haus verlassen musste, weil die Wohnung zu der Zeit nicht bewohnbar war.
Für ihn war das alles ein vollkommender Schock, denn plötzlich wurde er aus etwas herausgerissen, dass für ihn sein Rückziehpunkt war und ein Ort an dem er für sich war und in Ruhe über sein Leben nachdenken konnte, auch an die gute Freundin, die lange neben ihm lebte, bis sie dann irgendwann mal, von dort weggezogen war.
Und wieder änderte sich was, wie sich oftmals im Leben etwas ändert – woher ich das weiß?
Ich habe gerade ein längeres Gespräch mit eben dieser guten Freundin geführt und wir haben uns ein bisschen über sein Leben unterhalten.
Nachdem er seine Wohnung verloren hatte, lebte er eine Zeit auf der Straße und danach bekam er ein Zimmer in einer Notunterkunft, die für ihn aber kein zu Hause war, sondern eben nur ein Punkt zum Schlafen, sonst nichts anderes.
Und darauf bestand er auch in unseren Gesprächen – sein zu Hause war nicht dort, wo er untergebracht wurde, denn dort wollte er eigentlich ja auch gar nicht sein.
Auch die Möglichkeit in eine Stiftung zu gehen, lehnte er ab, weil ihm Freunde damals erzähltem, dass das alles nichts Halbes und Ganzes sein würde und so hörte er auf seine Freunde, die dann aber leider die falschen Freunde waren.
Schon davor wurde er mit suizidalen Gedanken in eine Klinik eingeliefert und für die gute Freundin ist es bis heute unverständlich, wieso er dort nach drei Tagen wieder entlassen wurde.
Und so lebte der Herr sein Leben und das Erzählte und all das was ich noch über ihn gerade eben im Gespräch über ihnund sein Leben erfuhr, darüber möchte ich gar nicht weiter schreiben, weil der Schock noch zu tief sitzt und weil ich mit diesem Artikel auch bei denen, die ihm nahe standen, keine alten Erinnerungen aufrufen möchte, die das was da passiert ist – jetzt erst einmal verarbeiten müssen.
Wir erleben jeden Tag die Geschichten von obdachlosen Menschen, wenn sie uns diese dann erzählen und schauen ihnen dabei in ihre Augen und sehen oftmals sehr traurige Blicke, die darauf schließen lassen, dass sie einen langen und auch oftmals einsamen Weg gegangen sind und wir erfahren Geschichten über sie, damit könnte man Bücher schreiben und jede Geschichte ist anders, sowie jeder dieser Menschen auch anders ist aber letztendlich ist jeder dieser Menschen, für sich alleine und für die Geschichte, die sie erlebt haben – ein wichtiger und unvergessener Teil ihrer Geschichten.
Der Herr, über den ich hier schreibe, der mir erst kürzlich vor ein paar Tagen in die Augen schaute und mich für einen Moment seine Geschichte sehen lies, lebt nicht mehr.
Er hat das beendet, was er für sich nicht mehr lebenswert sah und ist nun hoffentlich an einem Ort, an dem es ihm besser geht.
Ganz bestimmt werden viele Menschen diesen Herrn vermissen, denn er war eine von uns – jemand der genauso viel wert ist, wie jeder andere auch – jeder der es verdient hat zu leben und jeder genauso viel wert ist, wie ein anderer auch – ob nun reich, arm, obdachlos oder sonst was.
Wir sind alle gleich – nur einer – einer ist jetzt nicht mehr bei uns, redet nicht mehr mit uns und erzählt uns nicht mehr seine Geschichten – wieder einer weniger – einer der sein Leben nicht mehr Leben wollte und ein für sich richtigen, wenn eigentlich auch falschen Weg gegangen ist.
Gott habe ihn Seelig – Mach es gut