Gedanken
Kennt Ihr das, wenn ihr das Gefühl habt Eure Gedanken stehen in der Reihe und der hinterste möchte sich am liebsten vordrängeln, doch der Mittlere sieht das gar nicht ein, weil ja auch er gerne mal an die Reihe kommen würde, um abgearbeitet zu werden?
Das nennt man dann glaube ich Gedankenchaos oder war es das Gefühlschaos?
Letztendlich ist es ein hin und her, dass einem durch den Kopf geht und sich so ähnlich anfühlt, als hätte man einen Song gehört und man kommt einfach nicht auf den Titel und grübelt, grübelt und grübelt.
Warum ich mir zum Beispiel Gedanken über Menschen mache, die ich gar nicht kannte, wurde ich heute gefragt und ich antwortete, dass es eben keine Menschen sind, über die ich nachdenke, die ich nicht kenne oder kannte, es sind alles Wesen, die sich mir oder uns anvertraut haben, die uns ihre Geschichten erzählen, die, die man regelmäßig sieht und bei denen man teilweise sieht, wie sie abbauen oder eben auch die, die man dann nie mehr sehen wird, weil sie so sehr abgebaut haben, dass sie es nicht überlegt haben oder auch gar nicht überleben wollten.
Es sind keine unbekannten Menschen, es sind Wesen deren Geschichten wir in uns tragen, um noch mehr verstehen zu können, warum manche so leben, wie sie eben leben oder gelebt haben.
Das ist ein anstrengendes Thema, manchmal sogar ein sehr anstrengendes Thema
Dann wurde mir heute mitgeteilt, dass – als ich mit jemanden gesprochen habe, die jemanden verloren hat und einfach nur zugehört habe, es dieser Person sehr guttat – einfach jemanden zu haben, der, ohne viel zu sagen, einfach nur da ist und zuhört – einfach nur mal zuhört.
Und dann gehen mir Gedanken durch den Kopf, als mir vor langer Zeit mal jemand gesagt hat, dass ich für das was ich mache geschaffen wurde, all das was ich aufgebaut habe und mittlerweile mit Bea und all den anderen Mitgliedern des Verein immer mehr und mehr aufbaue, dass genau das ist, was ich tun soll und mir aus dem Grund gar nichts anderes zusteht.
Harte Worte, die mir seit Monaten schon nicht aus dem Kopf gehen
Niemand der vielleicht mal eine Schulter anbietet, niemand der mal auf einen Kaffee vorbeikommt oder jemand der auch mal bleibt, hin und wieder.
Auch Worte können Gedanken wie tätowierungen wirken lassen, einmal drauf, gehen sie niemals mehr weg.
Tage der Gedanken könnte man das vielleicht alles nennen und an Gedanken ist ja auch oftmals was dran, weil Gedanken sind das, womit unser Unterbewusstsein arbeitet, etwas das uns beschäftigt, etwas das wiedermal wie ein Ohrwurm ist, der wie ein kleines Kind im Auto sitzt und fragt: „Sind wir schon da“? nur eben anderes, wie zum Beispiel: Kann ich bitte mal abgearbeitet werden oder könnte sich dies oder das mal ändern, oder oder oder
Und dann, dann fahren wir unsere Touren, sowie ich mit Jens, die uns nach Hagen führte, spät abends – man könnte auch sagen es war schon Nacht, dann wenn andere schlafen und das grüne Auto durch die Städte flitzt, sind wir mal wieder unterwegs.
Dann begegneten wir ihnen wieder, die einen, die vollkommen müde waren, dankend einen Kaffee und ein Suppe nahmen und einfach nur noch schlafen wollten, irgendwie schon fast im Stehen einschliefen und die anderen die vollkommen aufgedreht waren, weil sie einfach nicht runterkamen und nein das muss nicht an irgendwelchem Drogen- oder Alkoholkonsum liegen, das liegt auch oftmals an psychischen Erkrankungen, für die – diese Menschen Medikamente bräuchten, sie diese aber nicht bekommen oder nicht wissen woher sind diese bekommen und noch schlimmer, vielleicht gar nicht wissen, dass sie diese brauchen würden, um ihren Zustand ein bisschen zu neutralisieren.
Und weiter ging unsere Fahrt, an einem Herrn vorbei der unter dünnen Decken lag, die durch den Wind immer wieder wegflogen und dem wir einen Schlafsack und etwas warmes gaben und der uns anschaute, als würde er Geister sehen und sich für seine Situation rechtfertigen wollte, es ging schon ein bisschen in entschuldigen, dass er dort lag und unsere Zeit in Anspruch nahm.
Später fuhren wir nochmal bei ihm vorbei und den anfänglich ignorierten Schlafsack, den er ja gar nicht brauchen würde, schenkte ihm Wärme, weil er ihn geöffnet und sich da drin eingemuckelt hatte.
An einem weiteren Platz wurde uns bereits zugewunken und es wurde sich auch beschwert, auf letzteres möchte ich aber nicht eingehen, weil es nicht uns betraf.
Auch das sind Gedanken, die sich in unseren Köpfen einnisten und über die wir nachdenken aber eben auch solche, die man aus dem Kopf verbannen kann, um sich dann auf wesentlich wichtigere Dinge zu konzentrieren, weil sie einfach nicht wichtig genug wahren.
Und dann standen sie vor uns die Herren, die uns zugewunken hatten und denen wir gerne unser Ohr geschenkt hatten, uns Zeit für sie nahmen und während einem Kaffee, den sie tranken und einer Suppe, die sie aßen, wir uns mit ihnen etwas unterhielten.
Wann wir wiederkommen, konnten und wollten wir auch gar nicht beantworten. Wir sind da, wenn wir dann eben da sind.
Wir versprechen auf der Straße gar nichts und das machen wir schon immer so, denn würden wir etwas versprechen und Termine nennen und es käme etwas dazwischen, dann würden wir Versprechen brechen und das wäre niemanden gegenüber fair.
Und dann fährt man nach Hause, irgendwann – durch die Nacht. Vorbei an blauen Lichtern der Polizei, die – so kommt es mir vor, immer mehr zu tun bekommen und durch dunkle Ecken, die manchmal echt gruselig sind, bis man dann vor der eigenen Haustüre steht und niemand die Tür öffnet, niemand da ist, der sich freut, dass du den Weg wieder heile nach Hause gefunden hast.
Ich glaube ja, dass solche Gedanken viel zu wenig in unserer Gesellschaft angesprochen werden, viel zu wenig darüber gesprochen wird, was jeden von uns bedrückt, sei es dieses beschissene allein sein oder auch dieses ganze drum herum, was in der Welt passiert.
Niemand scheint sich für die Gedanken der anderen zu interessieren, weil alle genug mit sich selbst zu tun haben, weil jeder für sich genug Gedankenchaos oder eben Gefühlschaos in sich trägt, weil es auch vielleicht nervig ist, die Gedanken einer anderen Person, zu seinen – hinzuzufügen und dann auch noch darüber nachdenken zu müssen.
Aber das ist glaube ich auch ein Punkt, der viele Menschen das Lächeln nimmt, viele Menschen nur noch auf die Erde blicken lässt, vielen Menschen, die Freude am Leben nimmt.
Ich bin davon überzeugt, würde wir alle offener und ehrlicher, neutraler und überzeugter miteinander umgehen, wäre die Welt ein bisschen bunter.
Würde jeder Mensch über seine Gedanken reden, ohne das Gefühl zu haben, irgendjemanden damit auf den Zeiger zu gehen, würden wir uns alle etwas mehr fallen lassen, weil wir wüssten, da ist jemand, der uns auffängt, wenn es darauf ankommt, würden wir anders durch diese Welt gehen.
Würden anders auf Menschen zu gehen, weniger Vorurteile in uns tragen, weniger über andere urteilen und weniger nur auf uns selbst achten.
Wir würden die Welt mit ganz anderen Augen sehen, wir könnten emphatischer miteinander umgehen, wüssten viel mehr, wie es sein kann auf andere zuzugehen und man könnte somit Glück, Freundlichkeit und vielleicht auch hier und da ein bisschen Zweisamkeit entstehen lassen.
Wenn wir alle zusammen, einfach nur ein bisschen mehr aufeinander zugehen würden, als uns immer mehr und mehr voneinander zu distanzieren, nicht ständig unterscheiden würden, ob reich, arm, dick, dünn, hässlich, schön, schlau, doof oder was weiß ich, würden wir die Geschichten der anderen viel besser verstehen und würden nicht nur das sehen, was uns die menschliche Hülle zeigt, sondern auch das sehen lassen, was in jedem einzelnen von uns im Verborgenen liegt.
Und wisst ihr, wenn ich so darüber nachdenke und sich schon wieder ein Gedanke mehr in meiner Warteschlange anstellt, dann möchte ich sogar behaupten, dass wir alle verlernt haben zu wissen, dass es manchmal wundervoll sein kann, auch mal gegen den Strom zu schwimmen, anders sein zu wollen, als alle anderen und wenn ich weiter darüber nachdenke, sollten wir die Gesellschaft uns einfach mal ein Beispiel an vielen obdachlosen Menschen nehmen, die dir ins Gesicht sagen, was sie denken, ohne nur ein bisschen mit der Wimper zu zucken, weil sie es nicht anders kennen und nicht so wie viele von uns, die mit der Gesellschaft schritt halten wollen, genau das irgendwann einmal verlernt haben.
Lasst und einfach mal wieder ein bisschen zurück an unsere Kindheit denken, an Momente, in denen wir in Pfützen gefallen sind, dann auch noch die Brühe da draus getrunken haben, auf Bäume geklettert sind, Menschen umarmt haben, die wir gar nicht kannten und uns in den Wald gestellt haben und einfach mal ne Runde geschrien haben, weil es uns einfach danach war.
Lasst und mehr – wir uns selber sein und lasst uns etwas Kraft aufwenden, um auf andere zuzugehen, lasst uns freier werden, in dem was wir tun und lasst uns alle miteinander leben.
Und wer jetzt noch nicht genug Gedanken in der Warteschleife stehen hat, den laden wir gerne ein uns mit auf die Straße zu begleiten, um süchtig danach zu werden, um das zu tun, was wir tun – denn das was wir dort draußen erleben, wird jede Welt eines jenen Menschen, der es erlebt hat, verändern und bringt im Anschluss daran mit Sicherheit, viele Menschen zum Nachdenken.