Die junge Dame
Morgen werden Reifen gewechselt, also holte ich mir ein Straßenfahrzeug und ließ unseren Transportesel am Lager stehen und da immer mal wieder eine Meldung reinkommen kann, füllte ich drei Thermoskannen mit Wasser auf, für den Fall der Fälle.
Kaum zu Hause angekommen bimmelte auch schon das Telefon.
Mein Bauchgefühl eben, darauf lasse ich nichts kommen – irgendwie spürt der olle dicke Bauch alles Mögliche und kann in die Zukunft spüren.
Ein besorgter Mensch erzählte mir von einer Person, die vor einem Ladenlokar sitzen würde und die Hilfe braucht.
Also machte ich mich auf und am Ziel angekommen, erkannte ich die obdachlose Person direkt, denn er war uns bekannt.
Ihm ginge es gut aber er würde sich über etwas Süßes und einen Eistee und wenn wir haben, über ein paar Socken freuen.
Haben wir, hat er bekommen und dann sprachen wir noch eine Weile, bevor ich mich dann wieder auf den Weg machte.
Irgendwann schrie dann meine Lunge, nach einem Glimmstengel und da Rauchen im Auto tabu ist, suchte ich mir einen Platz, wo ich meiner Sucht nachkommen konnte.
Und während ich da so stand, viel mir eine junge Dame auf, die da so saß und irgendwie nervös schien aber obdachlos – nein ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie obdachlos ist.
Bevor ich weiterfahren wollte, sprach dann wieder mein Bauchgefühl zu mir, dass ich mal warten sollte.
Ich sag doch, mein Bauchgefühl hat was magisches, denn nach ca. 15 Minuten kam die junge Frau auf mich zu und sprach mich an, ob ich vielleicht einen Tee für sie hätte aber obdachlos sei sie nicht, ob das trotzdem möglich wäre.
Klar, Tee geht immer sagte ich, stellte mich an den Kofferraum und machte ihr einen Tee.
Ob sie auf jemanden warten würde, so spät in einer Stadt, die nicht immer wirklich sicher wäre, fragte ich sie?!
Sie würde im Augenblick auf gar nichts warten, würde mich aber nicht weiterhin stören wollen, weil ich ja bestimmt noch andere Menschen versorgen müsste.
Ich habe ganz viel Zeit, sagte ich und meine Ohren sind auf zuhören eingestellt, wenn sie dann etwas zu erzählen hätte.
Nicht viel, sagte sie leise aber irgendwie auch nicht wenig aber all das sei kompliziert und würde bestimmt länger dauern.
Ja dann fangen wir doch am Anfang an, und wir fingen an zu plaudern.
Gesagt getan und dann ging ihre Geschichte los – warum sie mir ihr Vertrauen schenkte, weiß ich nicht aber sie tat es einfach.
19 Jahre alt wäre sie und hätte gerade ihre Schule abgeschlossen.
Heute Nacht würde es schwierig werden und sie wüsste nicht wohin, obwohl sie ja eigentlich ihre Eltern und ihre Schwester hätte.
Na dann, sagte ich – auf auf…
Nein, das geht ja nicht und dann fing sie an zu erzählen.
Manchmal denke ich mir…
Alter, du bist ein Mann wie ein Bär und dann sitzt du da und benimmst dich wie ein Murmeltier. Hörst zu und musst mit dir selber kämpfen, dass dir nicht gleich die Tränen aus den Augen fliegen.
Sie hat vor einiger Zeit einen Mann kennengelernt und ist von jetzt auf gleich zu ihm gezogen, ganz gegen den Rat ihrer Eltern und ihre Schwester hätte seit dem nicht mehr mit ihr gesprochen.
Sie hat das alles nicht verstanden, weil es ihr doch gut gegangen wäre und sie diesen Menschen so sehr in ihr Herz geschlossen hatte.
Das passiert hin und wieder, habe ich auch schon erlebt aber manchmal sollte man einfach auf das Gefühl der anderen hören, was zugegeben nicht einfach ist.
Ja und nun hätte sie herausgefunden, dass sie nur eine von vielen wäre und sie aber nach dem Streit mit ihrer Familie nicht zurück könnte.
Ja und nun, fragte ich – was möchtest du machen?
Draussen schlafen, wenn ja wo und ob sie sich vorstellen könnte, wie gefährlich das sein würde und ich oben drauf dann auch nicht schlafen könnte, weil ich mir Sorgen machen würde, dass ihr was passiert.
Verzwickte Situation, lächelte sie ein bisschen.
Ne nicht verzwickt, eher ganz schön verknotet, sagte ich.
Soll ich mal anrufen, fragte ich.
Wo?
Na bei deinen Eltern – vielleicht ist es eine Idee und ich spreche mal mit ihnen in Ruhe und dann werden wir sehen, wie sie reagieren.
Mein Vater bringt dich um, wenn du da um die Uhrzeit anrufst.
Macht er nicht, bestimmt nicht – bin doch nen netter, sagte ich und sie antwortete, dass das wohl alle sagen würden und der Bann der
Traurigkeit war gebrochen und wir konnten ein bisschen lachen.
Also, soll ich – fragte ich?
Ja, ich sollte, weil sie sich nicht trauen würde, also rief ich mitten in der Nacht bei wildfremden Menschen an und stellte mich vor und das erste was ich zuhören bekam war.
Nein, wir möchten nichts spenden
Das es aber nicht darum gehen würde und ich ihm etwas erzählen wollte, veränderte das Gespräch abrupt.
Wo wir sind, wir sollen uns nicht von der Stelle bewegen, er ist gleich da.
Dein Vater kommt, dann geh ich besser, sagte sie.
Kannst du machen, wäre dann aber doof für mich und manchmal muss man im Leben einfach auch mal „tut mir leid“ sagen können.
Das ist dann eben so!
Und sie blieb und 10 Minuten später kam ein Mann auf uns zu und den Gedanken, dass ich ein Bär von Mann bin hatte ich dann ganz schnell fallen gelassen, weil seid heute Nacht bin ich der Überzeugung, dass Schränke laufen können.
Und dann war er da der Papa und ausser, „was bin ich froh dich zu sehen“, sagte er nichts, schaut mich an und drückte mich so feste, dass ich das Gefühl hatte, mein komplettes Knochengestell irgendwo auf der Straße aufsammeln zu müssen.
Danke das ich aufgepasst hätte, danke das ich geblieben bin und danke das ich angerufen hätte und von ihr kam ein leises Danke, das ich zugehört hatte.
Danke das ich helfen durfte
Manchmal reichen auch nur einfach zwei Ohren und ein gutes Bauchgefühl, um Menschen glücklich machen zu können.
Danke
Und nun sitze ich hier wieder einmal an meiner Lieblingstankstelle und schreibe diesen zugegeben sehr langen Text und mir kommen Gedanken in den Kopf, wieviel andere viel zu junge Menschen jetzt gerade auf der Straße sitzen und nicht wissen welcher Gefahr sie sich aussetzen und es manchmal eigentlich doch ganz einfach wäre, hätte man mehr miteinander gesprochen, hätte nicht auf andere gehört, wäre einfach mal nicht so zickig gewesen und würde die Liebe von Eltern zu schätzen wissen (ich weiss es gibt auch Eltern, die nicht so nett sind), dann wäre für viele, die nun immer noch dort draussen sitzen vielleicht vieles anders gekommen und es würde ihnen auch heute noch gut gehen.
Ich wünsche der jungen Dame ganz viel Kraft und viele gute Entscheidungen, wobei man ja sagt, dass man gerade aus den falschen Entscheidungen am meisten lernen kann.
Euch allen eine gute Nacht