Alarmglocken

Wenn du denkst jemanden zu sehen, der sich nicht bewegt, wird selbst das DRK nervös, weil dann stehen die Alarmglocken auf Rot.

Heute fuhren wir, Tanja, Andreas, Olli und ich einmal ganz ungewohnt zu viert auf die Straße und das DRK begleitete uns wie gewohnt einmal die Woche, um uns zu unterstützen, wenn es darum geht, kleinere Wunden zu versorgen.

Das aber zählt auch nur für die Wunden die äußerlich sind aber nicht für die, die in den Seelen, derer die auf der Straße leben – innerlich, tief und feste verborgen liegen.

Bei einer Seele, nach der wir geschaut hatten, blieb uns beinahe das Herz stehen, denn wir dachten, er hat sich so sehr in seinen Schlafsack eingemummelt, dass er vielleicht bei der Hitze einen Hitzschlag bekommen hatte und das Ganze nicht überlegt hätte.

Letztendlich stellte sich dann aber heraus, als Olli an die sehr schlecht zu erreichende Stelle ging, dass glücklicherweise überhaupt niemand in dem Schlafsack lag.

Glück gehabt – es hätte auch anders sein können

Dann, nachdem wir bereits zuvor schon einigen Menschen, mit Getränken und dem leckeren Milchreis vom DRK helfen durften, trafen wir auf eine Dame, die zuvor zusammengeschlagen wurde und auch wenn wir es nicht genau wissen, sie irgendwas inhaliert hatte, dass sie tief und feste schlafen, lies.

Letztendlich wurde sie dann aber doch kurz wach und wir konnten uns davon überzeugen, dass es ihr einigermaßen gut ging – auch wenn hier nicht nur die äußerlichen Wunden zu sehen waren, die inneren seelischen Wunden es nicht besser machten.

Die Angst, dass sowas immer wieder passiert, kann man niemanden nehmen und die – die einfach mal drauf losschlagen, denen kann man das Hirn auch nicht wieder geben, denn wer so handelt, dem ist einfach nicht mehr zu helfen.

Viele verschiedene Erlebnisse, die uns heute begegnet sind, von dem alten Herrn, der Andreas und Volker vom DRK so anziehend fand, dass er den beiden Angeboten unterbreitete, über die ich hier nicht schreiben möchte, bis hin zu der Dame, die in einem Heim lebt und nicht fassen kann, wie schnell sich ein Leben verändern kann.

Nachdem wir ihre Geschichte erfahren hatten, konnten wir ebenfalls nicht glauben, was sie uns da erzählte.

Ein ganzes Leben hat sie gelebt und ist viel herumgekommen, spricht mehrere Sprachen fließend und freute sich eigentlich auf ihren Lebensabend mit ihrem Mann.

Und dann kam es wie allzu oft auch, wenn man denkt, es wird besser, wird es leider oftmals schlechter.

Ihr Mann viel vor ihren Augen tot um, sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert und nachdem sie wieder zu sich kam und irgendwann dann entlassen wurde, wollte sie wieder nach Hause, sich um alles kümmern, die Reste ihres Lebens sortieren und dann, auch wenn der Schmerz über den Verlust ihres Mannes grenzenlos schien, weitermachen, sowie viele andere auch – das Licht am Ende des Tunnels suchen und hoffen es auch irgendwann einmal zu finden.

Nachdem sie nach Hause kam, passte der Schlüssel nicht mehr, alles, was ihr mal gehörte, war weg und geblieben war ihr gar nichts mehr.

Manchmal setzt man Kinder in die Welt, zieht sie heran und dann, wenn es ernst wird, stellt man fest, dass selbst der fieseste Feind seine Füße jahrelang unter den eigenen Tisch gestellt hat.

Ihre Kinder nahmen ihr alles, vermieteten die Wohnung und das, was ihr blieb, war einer kleiner Beutel mit ganz wenig Papieren und nur noch wenigen Erinnerungen.

Heute lebt sie in einer Unterkunft, in die sie aber nicht möchte und deshalb zieht sie durch die Straßen und als wir sie trafen und mit ihr sprachen, wurde uns wieder einmal klar – dass so sehr vieles – so sehr schnell vorbei sein kann, dass der Tod vor der Tür kann und anstatt zu klingeln einfach ungefragt hereinkommt, dass ein Familienleben ohne Wenn und Aber – einfach mal so zerbrechen kann und dass der erträumte Lebensabend in einer Hölle enden kann.

Irgendwann dann beendeten wir unsere Tour und brachten Tanja nach Hause, Andreas begleitete uns noch zum Lager, von wo aus Olli und ich dann nochmal losfuhren, um nach mehreren Meldungen Ausschau hielten, die jedoch um die Uhrzeit, dann alle schon feste schliefen und nach einem kurzen Check, fuhren auch wir dann nach Hause, mit dem Wissen, dass auch diese Seelen, die wir noch gefunden hatten, zu mindestens geatmet und vielleicht von einem besseren Leben geträumt haben.

Passt auf Euch – Lebt euer Leben – Liebt eure Lieben und schätzt das, was ihr habt – nichts davon ist unendlich