Sensibel
Versuch Nummer 3, und ich weiß nicht, warum ich mir an diesem Bericht den Kopf zerbreche.
Bereits am Samstag fuhr ich mit Martina und Steffie auf eine Nachttour – zuvor hatten wir am Nachmittag unseren Kennenlerntag, an dem sechs Menschen zu uns kamen, um sich über uns zu informieren.
Es werden immer mehr, die sich für unseren Verein interessieren, was mich und alle anderen natürlich sehr freut.
Danach ging es noch einmal kurz nach Hause, noch ein paar Stunden aufs Ohr legen, bevor es dann eigentlich losgehen sollte.
Ich glaube, der Urlaub hat mir nicht gutgetan. Irgendwas hat meinem Kopf gesagt, dass ein gewisses Maß an Ruhe auch süchtig machen kann und zudem auch noch sehr gut tut.
Wird schon, und der Winter, in dem es dann wieder richtig losgehen wird und wo die Nächte länger, kälter und extremer werden, der kommt bestimmt – also lasse ich meinen Körper machen, und wenn er nach Ruhe schreit, soll er sie bekommen.
Martina und Steffie waren schon früher im Lager, um SOS-Kapseln zu befüllen, die wir am Wochenende mit auf das AVU-Familienfest nehmen wollen, auf dem wir ein Zelt, unsere Fahrzeuge und uns aufstellen, um UNSICHTBAR e.V. zu präsentieren.
Nachdem wir in Wuppertal einigen Menschen etwas Gutes tun durften, Gespräche führten und sich darüber gefreut wurde, uns zu sehen, fuhren wir durch den Ennepe-Ruhr-Kreis in Richtung Hagen.
Gegen 00:30 Uhr unterbrachen wir unsere Tour allerdings für einen kurzen, aber sehr wichtigen Zwischenstopp.
Kurz nach einem dafür geeigneten Ort gesucht, angehalten, und während Steffie und ich am Auto blieben, ging Martina ein Stückchen und zündete ihrem leider verstorbenen Mann eine Kerze zum Geburtstag an.
Nicht nur die Augenblicke auf der Straße, in denen wir helfen, können einen mitnehmen, sondern auch solche Momente, in denen wir unter uns miteinander sprechen und anderen Teammitgliedern sensible Einblicke in unser Leben gewähren.
Das ist nicht selbstverständlich, und das ist auch nicht so, dass so etwas jeden Tag passiert. Das ist eher ein Gänsehautmoment, in dem wir alle sehr nah am Wasser gebaut sind.
Sie weiß, dass er bei ihr ist, und sie weiß auch, dass er sie begleitet. Wir wissen nicht in welcher Form oder Gestalt, aber viele von uns denken bestimmt ähnlich und spüren diese Augenblicke, in denen Menschen und ganz bestimmt auch Wesen wie der Hund, die Katze oder der Wellensittich oder so viele andere von uns gegangen sind, und man glaubt, sie gespürt oder gesehen zu haben.
Diesen Bericht schreibe ich jetzt zum dritten Mal, weil ich immer wieder viel zu tief auf dieses Thema eingehe und tatsächlich Sorge habe, dass man irgendwann nicht mehr weiß, worauf ich eigentlich hinaus will.
Aber eigentlich möchte ich mal ausnahmsweise auf gar nichts hinaus, sondern möchte einfach nur gerne mitteilen, dass solche Momente, ob jetzt im Verein unter Mitgliedern oder auch wenn man alleine für sich ist oder auch wenn man mit Menschen auf der Straße über so etwas spricht, genau solche Themen ganz tief unter die Haut gehen.
Und warum ist das so? Vielleicht, weil auch das Thema Tod und das Gefühl, man erkennt oder spürt jemanden noch selbst danach, so sensibel ist, dass sich kaum jemand traut, darüber zu sprechen. Und wenn man dann doch einen Menschen trifft, der offen für so etwas ist, könnten solche Gespräche Stunden dauern.
Wie oft bin ich Menschen auf der Straße begegnet, die über Gott und die Welt reden wollten, über Themen, über die sonst niemand spricht, und für die man sich Zeit genommen hat und die es dann zugelassen haben, weil es sonst niemand mit ihnen tut. Sie werden eher nur verurteilt oder abgestempelt. Dann sind auch das Momente, in denen unser Herz aufgeht, und wir uns extra viel Zeit für diese Menschen nehmen, um uns auch über sehr sensible Themen mit ihnen zu unterhalten.
Ich glaube, jetzt habe ich den Dreh raus. Dafür ist der Bericht jetzt wieder unendlich geworden, aber dafür könnt ihr ihn euch ja auch neuerdings anhören.
Unsere Tour an dem Abend beendeten wir in Hagen. Auch dort durften wir einigen Menschen früh morgens helfen und sie für den Augenblick mit Kleinigkeiten durch die Nacht begleiten.
Und wenn man dann von den dort lebenden Menschen herzlichst begrüßt wird und immer wieder mit Worten gesegnet wird für das, was wir da tun, dann fährt man irgendwann nach Hause, ist unendlich müde, freut sich auf sein Bett und bevor man in die Wohnung geht, dreht man sich noch einmal um, schaut hinaus, hoch in den Himmel und wünscht denen, die immer in unseren Herzen bleiben, eine gute Nacht.
Wir möchten Menschen, denen unsere Texte vielleicht zu lang sind oder auch den Menschen, die unsere Texte nicht lesen können, weil sie vielleicht eine Leseschwierigkeit haben oder auch ein Sehbehinderung oder vielleicht irgendwas anderes, dass sie daran hindert unser Artikel zu lesen, die Möglichkeit geben, unsere Texte zu hören, mitzuerleben und vielleicht ja auch ein bisschen zu spüren.
https://unsichtbar-ev.letscast.fm/episode/strassenbericht-vom-12-08-2023