Tour mit Hund

Karin schreibt…

Die dreifache Frauenpower wird heute durch ein männliches, vierbeiniges Schnüffelmitglied unterstützt: Marlo ist mit an Bord!

Marlo ist Angelas Hund, die beiden und Ute fahren heute mit mir (Karin) durch große und kleine Städte, durch unbekanntes Terrain und zu bekannten Stellen – es ist nicht wirklich kalt, aber der Wind ist schäbig und so hoffen wir, vielen obdachlosen Menschen helfen zu dürfen.

In einem Wartehäuschen am Busbahnhof finden wir 2 obdachlose Herren, einer sitzt im Rollstuhl, der andere liegt schlafend auf der Bank. Ich parke den Kangoo, wir 4 (ja, auch Marlo) steigen aus – Hilfe ist offensichtlich erforderlich. Der Herr im Rollstuhl rüttelt den Schlafenden, aber der rührt sich nicht. Ganz kurz habe ich Angst… aber dann hebt er abrupt den Kopf – alles gut.

Wir fragen, womit wir helfen dürfen – aber so ganz einfach ist das nicht. Sprachbarriere mal wieder. Der Wind ist heftig, lässt die Temperatur etliche Grad niedriger erscheinen. Ich frage, ob sie Mützen gebrauchen können. Der Herr im Rollstuhl bestätigt erfreut. Ute kramt eine Mütze aus der Schublade und er setzt sie begeistert auf. Ich entdecke das Firmenschild plus kleinem Aufhänger oben auf der Mütze, versuche, ihm zu erklären, was dort auf seinem Kopf thront und dass ich das abschneiden möchte. Unterstützung erhalte ich von seinem Freund. Nützt aber wenig, denn als ich mich ihm mit einer Schere nähere, um das Schild abzuschneiden, hält er die Mütze mit beiden Händen fest und ruft entsetzt „NEIN! NEIN!“. Wir versuchen mit Unterstützung seines Freundes ihn zu überzeugen – nix zu machen. Er ruft immer nur „NEIN, NEIN!“ und irgendwas auf polnisch. Wir müssen alle lachen, ich gebe die Schere seinem Freund – aber auch er hat keine Chance. Er zieht ihm schließlich die Mütze ab, entfernt Schild und Aufhänger und gibt sie ihm zurück – energisches „NEIN“. Also setzt sein Freund die Mütze auf – perfekt.

Ich überlege: Wenn die eine Mütze diesen Aufhänger und dieses Schild hat, dann sicher auch die anderen… genau. Wir geben ihm eine andere Mütze mit Firmenschild und Aufhänger und er setzt sie völlig begeistert auf. Wir alle – wir 3 von UNSICHTBAR und die beiden Obdachlosen – kriegen uns nicht mehr ein. Ich kann es schwer beschreiben – aber diese ausgelassene Stimmung war unglaublich. 2 Busse halten und fahren weiter und ich überlege kurz, was die Menschen in den Bussen wohl denken – da stehen 3 Frauen mit grünen Jacken bei 2 offensichtlich Obdachlosen und alle lachen sich schlapp…

Schweren Herzens verabschieden wir uns – wir haben noch mehr zu tun! Den beiden fällt der Abschied offensichtlich ebenfalls schwer… es war auch einfach ZU nett. Aber genau solche Situationen machen es einem auch gleichzeitig schwer: Man hat nicht einfach Spaß mit Bekannten, sondern da sind Menschen ohne ein Heim, die wir auf der Straße zurücklassen. Andererseits freuen sich gerade diese Menschen, dass wir mit ihnen wie mit guten Bekannten umgehen – und Spaß haben ist so wichtig!

Als wir einen Ort anfahren, an dem wir vor einiger Zeit einen Obdachlosen angetroffen haben, lassen wir Marlo im Kangoo, da draußen viele Glasscherben rumliegen. Wir treffen niemanden an und als wir zurück zum Wagen gehen, müssen wir wieder lachen: Marlo hat sich auf den Fahrersitz gesetzt und beobachtet besorgt, ob Angela auch ja wieder zu ihm zurückkommt!

Letzter Treffpunkt – nix los. Wir warten im Kangoo – und wenig später tauchen sie auf. Bekannte und uns unbekannte Menschen, die wir versorgen dürfen. Marlo ist der perfekte Therapiehund – zurückhaltend, aber kommunikativ und knuddelbedürftig. Fast alle obdachlosen Menschen sind begeistert, nehmen vorsichtig Kontakt auf, freuen sich, dass Marlo auf sie reagiert. Marlo ist ein Angsthund, dem Angela mit viel Liebe und Geduld gezeigt hat, dass er Vertrauen haben kann. Irgendwie ist da eine Parallele zu den Menschen, die wir auf der Suche nach ihnen finden und zu denen, die zu uns an den Kangoo kommen und uns vertrauen, so dass wir helfen dürfen.

Auch jetzt gibt es einige Situationen, in denen einfach nur gelacht wird – eine etwas unangenehme Situation kann der gelösten Stimmung nichts anhaben. Für Angela war es die 2. Tour – sie wird die Erfahrung machen müssen, dass nicht ansatzweise jede Tour so entspannt abläuft, dass wir mit sehr viel Elend konfrontiert werden und dass uns nicht immer zum Lachen zumute ist.

Holger hat es am 26.10.2024 sehr eindringlich und eindrucksvoll beschrieben, wie der Winter für Menschen ohne Heim werden kann.

Ich schließe mich Holger an: Schau hin und nicht weg – rette Leben – ruf Hilfe!

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