Die Vergessenen…
Andreas K. schreibt…
Wenn ich jetzt diesen Bericht knapp 20 Stunden nach meinem Einsatz verfasse, kommt mir das alles etwas ein schlechter Traum vor.
Ich sitze in einer geheizten Wohnung, habe zu Abend gegessen und überlege, wie ich das beschreibe, was ich wieder erlebt habe – aber ich fang‘ mal an.
Karin hat mich auf dem Weg zum Lager mit Ute abgeholt. Unterwegs habe ich schon mal gefragt, wo die Schwerpunkte heute liegen.
Im Lager angekommen haben wir konzentriert die Vorbereitungen erledigt, um optimal gerüstet rauszufahren. Und dann ab auf die Straße.
Kaum ein paar Kilometer gefahren sahen wir einen alten Bekannten vor einer Haustür sitzen. Er hat im Moment zwar eine Wohnung, aber leider wieder mal den Schlüssel verloren und kam in das Haus, in dem er untergebracht ist, nicht hinein. Der Vermieter, der im selben Haus wohnt und einen Schlüssel hat, war nicht zuhause. Es war schon ziemlich spät und unser Bekannter ziemlich alkoholisiert und leicht desorientiert, wir versuchten abzuklären, was man machen kann, haben ihm unsere Notfalltelefonnummer gegeben, die er zwar mal hatte, die er aber verloren hat. Er erhält eine Notfalldecke und das Versprechen, wenn wir auf der Rückfahrt wieder hier vorbei kommen, nach ihm zu schauen.
Um es zu vorwegzunehmen: Er saß auf unserer Rückfahrt nicht mehr dort und muss doch wohl in seine Wohnung gekommen sein. Das war ein gutes Ende der Tour.
An einigen anderen Stellen haben wir weitere Personen angetroffen, die unserer Hilfe bedurft haben. Einer der zentralen Punkte ist nach wie vor der Bahnhof, wo sich Glück und Elend schon immer getroffen haben. Ich kann zwar bestimmt nicht die Welt retten, aber ich hoffe, durch mein Handeln sie etwas menschlicher zu gestalten. Nur – manchmal muss ich schon schlucken, wenn ich das Elend sehe.
In dieser Nacht fanden wir unter einer Brücke eine weitere hilfsbedürftige Person, die verborgen unter einem alten Teppich lag. Wir haben ihm die Grundversorgung angeboten, die er auch gern angenommen hat: Schlafsack, Isomatte, Rucksack, etwas zu essen und zu trinken sowie Süßigkeiten.
Die Verständigung musste über Google Übersetzer erfolgen, da der Herr nur Polnisch sprach. Wir haben ihm Flyer gegeben und erklärt, wohin er sich wenden soll. Auch hier stellt sich für mich die Frage nicht nach seiner Vergangenheit, für mich zählt nur das hier und jetzt. Und dabei denke ich dann oft, man brauchte viel mehr praktische Hilfe, das ist, was zählt. Ich denke manchmal, dass es schade ist, dass viele Leute nur in der Vorweihnachtszeit spenden. Ich denke aber aus meinem Leben und aus meiner Erziehung heraus, dass die Tat über allem steht.
Irgendwann haben wir die Tour abgeschlossen. Und irgendwann denke ich, wie können die Angehörigen ihre eigenen Verwandten einfach vergessen.
So, genug philosophiert! Gruß Andreas
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