Manchmal sind sie einfach weg…

Karin schreibt…

Heute fahre ich (Karin) auf dem Weg zum Lager wieder einen Schlenker und hole dieses Mal Andreas K. ab. Holger fährt heute eine halbe Tour mit: Es ist eine Meldung aus dem Bergischen hereingekommen ohne exakte Ortsangabe, wo ein obdachloser Herr sich aufhalten soll. Da Holger sich in dieser Stadt gut auskennt, erleichtert das die Suche natürlich sehr.

Wir fahren diverse Stellen an, aber ohne Erfolg. Wenn wir aufgrund von Meldungen zu Orten fahren, an denen sich Obdachlose aufhalten sollen und wir niemanden antreffen, lässt das immer zwiespältige Gefühle zurück. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Sind sie nur weitergezogen oder ist ihnen etwas passiert? In der Regel erfahren wir das natürlich nicht und diese Ungewissheit hat mir schon immer sehr zu schaffen gemacht. Auch, wenn obdachlose Menschen, die ich schon lange kenne, plötzlich nicht mehr auftauchen.

Auf den Erkundungstouren, auf denen wir in 1. Linie Stellen anfahren, an denen man Rückzugsorte und Schlafplätze von obdachlosen Menschen vermuten könnte, treffen wir immer wieder auf Menschen, die wir danach selten wiedersehen. Wir sind froh, dass wir helfen durften – aber damit ist der Einsatz auch erledigt. Was anderes ist es bei Menschen, die wir immer mal wieder treffen und die wir schon lange kennen. Wer regelmäßig mitliest weiß, dass mir diese Menschen sehr viel bedeuten. Ihr plötzliches Verschwinden setzt mir jedes Mal zu. Umso mehr freue ich mich, wenn sie nach Wochen/Monaten wieder auftauchen! Ihr Verschwinden kann die unterschiedlichsten Gründe haben, die wir selten erfahren. Einige haben eine Zeitlang Unterschlupf in einer anderen Stadt bei Bekannten gefunden, andere sind einfach weitergezogen, wieder andere haben einen langen Krankenhausaufenthalt hinter sich oder waren im Gefängnis. Die Gründe sind schlussendlich egal – Hauptsache, sie leben. Aber manchmal tut es auch weh, sie wiederzusehen: Wenn sie deutlich abgebaut haben. Damit kann ich nicht gut umgehen…

Wir fahren nach erfolgloser Suche noch bei „Rudi“ vorbei und dann geht’s zurück zum Lager. Holger fährt wieder nach Hause und Andreas und ich setzen unsere Tour fort. Unterwegs sehen wir einen uns bekannten jungen Mann, der freiwillig auf der Straße lebt. Er ist immer sehr gepflegt, kommt immer mal wieder bei Bekannten unter, kann duschen, Kleidung waschen – und dann muss er wieder raus. Es ist seine Entscheidung. Euch kommt das sicherlich genauso unverständlich vor wie uns – aber er ist nicht der Einzige, der die Straße einem Zuhause vorzieht. Er schläft, wacht allerdings schnell auf, als wir ihn leise ansprechen und steht dann frierend am Kangoo. Was Warmes zu essen und zu trinken ist jetzt ganz wichtig und tut ihm sichtlich gut. Schlafsack und Isomatte sind ihm gestohlen worden, also erhält er natürlich beides erneut von uns.

An einem Schlafplatz treffen wir die beiden, die sich zusammengetan haben, ebenfalls schlafend an. Leises Ansprechen – ja, sie sind sofort wach und beide krabbeln aus ihren Schlafsäcken. Auf jeden Fall möchten auch sie noch Warmes zu essen und zu trinken, was Süßes und natürlich BiFis! Wären sie bei leisem Ansprechen nicht aufgewacht, hätten wir sie schlafen lassen, jetzt sind sie froh, dass wir da sind.

Ein Schlenker zu Andreas‘ Zuhause, dann fahre ich alleine weiter zum Lager. Es ist fast 3 Uhr, kaum was los. Und so fahre ich durch menschenleere Straßen, schaue immer mal wieder kurz nach rechts und links, ob ich noch jemanden entdecke… einen der Unsichtbaren… einem Menschen ohne Zuhause, dem ich durch den Rest der Nacht mit warmem Essen und Trinken und einem Gespräch helfen darf…