Wir sind doch alle gleich…
Karin schreibt…
Noch vor dem Start (und dem berühmten Schlenker zu Ute) erreicht mich (Karin) eine Meldung: Eine obdachlose Dame, ausgezehrt, dünn, frierend, ängstlich, hält sich in einer Stadt im Märkischen Kreis auf,
Abriss der Lebensgeschichte – soweit uns bekannt – in einem Wort: Elend.
Ein ungefährer Standort liegt vor, also los, Ute einsammeln, Kangoo packen und weiter.
Wir fahren im Schritttempo am Standort vorbei, wieder zurück, steigen aus und suchen mit Taschenlampen. In einem Gebäude sitzt jemand – wir gehen auf das hellerleuchtete Fenster zu, es wird geöffnet und wir erfahren, an welcher Stelle die Dame gesehen worden ist. Aber auch dort suchen wir vergebens. Wir treffen auf eine Person, die unter einer Decke schläft und rufen den Namen der Dame, die wir suchen. Unter der Decke bewegt sich was und der Kopf eines Mannes kommt zum Vorschein. Wir stellen uns vor und fragen ihn, ob wir ihm helfen können. Auch auf mehrfach gestellte Fragen reagiert er nicht, also fahren wir weiter. Heute haben wir sie nicht gefunden, aber hoffentlich ein anderes Mal!
Wir fahren zurück, machen Halt an dem Schlafplatz der beiden „Freunde“. Sie wollten sich gerade schlafen legen und so werden wir winkend und strahlend begrüßt – jetzt gibt’s doch noch was Warmes in den Magen. Ich frage nach dem 3. Herrn, der in der Nähe untergekommen ist, aber der ist noch unterwegs. Zunächst ist alles wie immer, aber dann kippt die Stimmung. Der Herr, der ganz gut Deutsch spricht, erzählt – unterstützt von seinem Freund – von einem Ereignis, dass beide zutiefst verunsichert hat. Man spürt die Angst, der Deutsch sprechende Herr hat Tränen in den Augen. Und er sagt noch was ganz Wichtiges: Die Ausgabe von Nahrung etc. sei wichtig und gut – aber reden… REDEN ist so wichtig!
Wir bleiben lange bei ihnen. Als wir fahren, ist die Stimmung wieder entspannter, wir versprechen, uns zu kümmern. Zum Abschied gibt es ein Blinkkonzert mit Taschenlampen. Ute und ich gucken uns an – sie sind einfach herzerwärmend…
Das Erlebnis der beiden lässt uns keine Ruhe und Ute schlägt vor, einen Stopp bei der Polizei zu machen und zu fragen, ob sie weitere Informationen haben. Nein, aber sie halten Augen und Ohren offen, geben das weiter. Bei den beiden handelt es sich um einen erfahrenen Polizisten, der auch schon nachts Meldungen an Holger weitergegeben hat, und um eine junge, Polizistin, die interessiert an den Kangoo kommt: „Sowas habe ich noch nie gesehen!“ Wir freuen uns immer, wenn jemand Interesse an unserer Tätigkeit und dem Kangoo zeigt und so erkläre ich die Vereinsarbeit und zeige den Innenausbau des Kangoos, während Ute ihr einen starken Kaffee zubereitet. Als das Thema auch auf Spenden kommt, greift sie spontan in ihre Hosentasche und holt einen Geldschein heraus: „Habe ich rein zufällig in der Tasche!“ Hier nochmals ein herzliches Dankeschön an die junge Polizistin! Es war ein richtig gutes Gespräch und wir fahren weiter – unsere „Schicht“ ist noch nicht zu Ende.
Es geht weiter durch fast menschenleere Straßen – woher kommen, wohin gehen Menschen mitten in der Woche um diese Uhrzeit? New York ist die City, die niemals schläft – aber Hagen?? Egal – wir treffen dann doch noch auf Menschen, die Hilfe benötigen. Wir wollen gerade weiter, als ein in der Nähe parkender Taxifahrer winkt – ich halte an: „Da drüben liegt noch einer!“ Wir freuen uns sehr über seine Aufmerksamkeit! „Wir kennen ihn, wecken ihn aber nicht, wenn er so fest schläft.“ Aber wir beschließen, ihm Süßigkeiten und etwas zu trinken dazulassen. Gesagt getan, wir wollen weiter. Ein obdachloser Herr, der gerade eben etwas zu Trinken erhalten hat, geht ungerührt an dem Schlafenden vorbei und ruft laut seinen Namen. Dreht sich im Gehen zu uns um:
„Danke noch mal!“ Gern geschehen. Der Schlafende setzt sich auf – ich rufe dem Taxifahrer zu: „Na gut – jetzt ist er wach!“ Er zeigt mit dem Daumen nach oben und Ute und ich versorgen ihn noch mit Terrinen und Zitronentee sowie einer Winterisomatte und dann ist für uns die Tour zu Ende.
Es war wieder eine Tour mit schönen, aber auch dieses Mal mit sehr berührenden, traurigen Momenten. Aber so ist das Leben – nicht nur auf der Straße, auch für uns, die wir ein Dach über dem Kopf haben. Das sollte uns allen klar sein: Schlussendlich sind wir alle gleich.