Karins (vorläufig) letzte Meldetour
Karin schreibt…
Meine (vorläufig) letzte Meldetour…
Holgers Vertretung geht dem Ende zu – heute Nacht (Freitag, 13.12.2024) übernehme ich die letzte Meldetour. Bislang war es ruhig, Meldungen konnte ich im Rahmen der üblichen Rausfahrtermine aufnehmen und im Team betreuen.
Heute kommt sehr früh eine Meldung der Polizei rein und eine Tour ist nicht geplant: Ein obdachloser Herr, polnischer Herkunft, spricht kein Deutsch, benötigt so ziemlich alles.
Also los.
Der Kangoo steht vor der Haustür, heißes Wasser ist dank der sehr hohen Qualität der Thermoskannen von gestern immer noch heiß und so starte ich Richtung angegebener Adresse.
Nach einigem Suchen finde ich einen in Frage kommenden Platz, gehe mit Taschenlampe auf die Suche, treffe 2 Jugendliche und frage, ob sie einen Obdachlosen in der Nähe gesehen haben. „Ja – da drüben.“ – Treffer. Ich nähere mich langsam, leuchte mit der Taschenlampe immer nur knapp neben ihm, spreche ihn leise an. Er liegt unter einer Decke – 100 % Polyester. Furchtbarer Fehler bei Frost – wir haben darüber berichtet.
Diese Decken werden feucht, bei Frost gefrieren sie und wirken wie ein Kühlschrank. Ich versuche leise, sein Vertrauen zu wecken, er ist ganz offensichtlich verängstigt. Dank einer Übersetzungs-App frage ich, ob er einen Schlafsack braucht. Verneinung. Vielleicht eine Suppe? Sein Gesicht hellt sich auf und er nickt. Ich mache ihm klar, dass ich das Auto mit Essen hole. Ich parke den Kangoo etwas unkonventionell, aber nicht verkehrsbehindernd, gehe zu ihm zurück und bedeute ihm, mit mir zu kommen.
Zunächst will er seine ganze Habe – immerhin hat er einen Trolley – mitnehmen. Ich winke ab, er versteht: Nur er. Übersetzer-App sei Dank: Er braucht natürlich so ziemlich alles, was wir an Bord haben. Ich lege meine rechte Hand auf meine Herzgegend und sage „Karin“, dann deute ich auf ihn. Er legt seine rechte Hand auf seine Herzgegend und nennt seinen Namen. Dann deutet er auf mich: „Karin!“ und auf sich und wiederholt seinen Namen. Das sind Momente, da steht die Zeit still. Da gibt es keine sozialen Schranken, da gibt es nur Menschlichkeit.
Ich fahre mit Tränen in den Augen nach Hause.