Durch die Nacht…
Karin schreibt…
Es ist nach 22 Uhr, als Susanne S. und ich (Karin) heute mit Schnüffelmitglied Andreas in die Nacht starten. Zunächst eine Runde in näherer Umgebung, dann geht’s Richtung Bergisches Land. Wir fahren zu „Rudi“ – wer regelmäßig mitliest, weiß, um wen es geht. „Rudi“ war einer der ersten obdachlosen Menschen, die ich bei UNSICHTBAR e. V. kennengelernt und dessen furchtbare, unendlich traurige Geschichte mich richtig fertig gemacht hat. Wir treffen ihn nicht an, aber ich mache mir nicht mehr so viele Sorgen wie bereits einige Male zuvor, denn Holger und ich haben ihn erst 2 Tage zuvor gesehen und er ist immer mal wieder unterwegs. Hauptsache, ihm passiert nichts. Das ist mir so sehr wichtig…
Wir fahren durch die Stadt und zu einem Treffpunkt, an dem wir viele Menschen erwarten, denen wir helfen dürfen. Zunächst ist niemand zu sehen, aber das kennen wir schon. Ich parke den Kangoo und wir steigen aus. Es dauert nicht lange, da steuern die ersten hilfsbedürftigen Menschen den weithin sichtbaren UNSICHTBAR Wagen an. Eine Begegnung geht mir – mal wieder – sehr zu Herzen: Eine junge Frau, die in keiner Weise nach Obdachlosigkeit aussieht. Wir fragen nach, was sie außer Essen und Trinken benötigt, zählen auf, was wir ihr anbieten können. Ihre Reaktion war anrührend. Sie versichert mehrmals, dass sie wirklich einen Rucksack gehabt hätte, dass ihr Begleiter verhaftet wurde und ihren Rucksack mitgenommen hätte. Wir versichern ihr, dass sie sich nicht erklären muss, dass sie selbstverständlich einen neuen Rucksack erhält. Und nicht nur den. Sie sieht so glücklich aus, strahlt uns an, freut sich wie ein Kind.
Ein in schillerndes Grün gekleideter Herr mit vielen großen Ringen an den Fingern und einer exzellenten Frisur erscheint am Kangoo – ich bin sofort begeistert, sage ihm, dass er klasse aussieht und perfekt zu unserem Wagen passt. Er findet uns und unsere Intention, den obdachlosen Menschen zu helfen, großartig. Und er ist begeistert, wie gut der neue Rucksack der jungen Frau zu ihrer Crossover-Bag passt (das ihm das auffällt, war mir klar! ) – beides ein Camouflage Muster. Sie strahlt: „Und diese Schuhe habe ich neulich erst bekommen!“ Sie hebt einen Fuß – sie passen ebenfalls zum Muster. Jesses – ich atme tief durch… So viel Freude, so viel positive Stimmung, so viel Glück in den Augen der jungen Frau… Auch so geht Obdachlosenhilfe…
Der schillernde Herr hat uns auf Facebook gefunden, Susanne und ich sagen ihm, er möge sich doch bitte mal melden. Vielleicht tut er es ja!
Irgendwann ist die Ausgabe hier beendet und es geht Richtung Hagen, zu unserer letzten Anlaufstelle. Es ist mittlerweile 3 Uhr, aber wir treffen noch einige unserer Bekannten an. Ein junger Mann taucht auf, schwer alkoholisiert. Ich kenne ihn, spreche ihn mit Namen an, frage, was los sei. Er ist verhaftet worden, wurde aber doch wieder freigelassen. Er ist gestürzt, sein T-Shirt ist völlig durchnässt. Er kriegt natürlich eine TOM, eine Tasche für obdachlose Menschen, die auch ein T-Shirt enthält und wir helfen ihm, ein neues T-Shirt anzuziehen. Die Tasche kann auch als Rucksack getragen werden und wir hoffen, dass er sie nicht verliert. Und wenn – dann ist es auch egal.
Einer unserer Bekannten, der sich immer zurücknimmt, der immer erst die anderen vorlässt, der immer freundlich, höflich ist und der sich immer um die kümmert, denen es schlechter geht, ist jetzt an der Reihe. Er möchte etwas für sich und für seine Freundin. Sie sitzt auf einer etwas entfernten Bank. Ich sage, dass sie doch gerne zu uns kommen kann, aber er wendet ein, dass sie nicht so gut laufen kann. Kein Thema, wir geben ihm, was er tragen kann und sagen, dass er es zu ihr bringen und dann wieder herkommen soll. Wir laufen ja nicht weg. Er läuft einige Male hin und her, strahlt uns an in seiner unnachahmlichen, freundlichen, höflichen Art. Seine Freundin… ich denke kurz darüber nach, wie lange wir die beiden wohl zusammen sehen werden… erfahrungsgemäß nicht lange. Sie schließen sich manchmal zusammen – und gehen dann doch wieder getrennte Wege. Ich kenne nur ein Paar, das wirklich wohl seit 10 Jahren zusammen auf der Straße ist. Keine einfache Beziehung – aber das ist sicherlich verständlich und bei uns, die wir eine Wohnung haben, ein „normales“ Leben führen, ja auch nicht unbedingt selbstverständlich.
Sie alle, ob alkoholisiert, unter Drogen stehend oder nüchtern, ob fordernd oder höflich, ob traurig oder fröhlich, ob redselig oder wortkarg, ob laut oder leise – sie alle sind uns willkommen. Nicht nur die Klappe vom Kangoo – auch unser Herz steht offen für diese Menschen .
EHRENAMT BEI UNSICHTBAR e. V.
Das Ehrenamt bei UNSICHTBAR e. V. besteht nicht ausschließlich aus der Arbeit auf der Straße. Bring dich zum Beispiel in der Fahrzeugpflege mit ein, sortiere, packe und waschen und reinige regelmäßig unsere Fahrzeuge, denn auch das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.
Werde Teil von etwas Großem – werde ein Teil von UNSICHTBAR e. V.“