Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind auf den Strich schickt….
Samstag, der 02.09.2017 unser Telefon klingelt.
Am anderen Ende eine soziale Einrichtung, die sich um obdachlose Menschen kümmert, sie mit Kleidung und einer Kleinigkeit zu Essen versorgt.
Eine besorgte Stimme fragt mich, ob ich einen Tipp oder einen Ratschlag für folgen Fall hätte.
In der Auffangstelle steht eine junge Frau (21), die aus einer norddeutschen Stadt, die lange Fahrt auf sich genommen hat, um woanders unterzukommen.
Ihr Gedanke war nur weg von dort, von wo sie kam, denn dort könnte sie nicht mehr bleiben, weil sie um ihr Leben fürchten müsse.
Was man wissen sollte:
Junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren, müssen laut Gesetz von ihren Eltern unterstützt werden, oder bis zum Abschluss ihrer Ausbildung oder ihres Studiums.
Somit müsste sich die Familie, in dem Fall die Mutter, der jungen Frau sich um diese kümmern.
Eine Ausnahme wäre, die Familie käme mit dem Kind nicht mehr zurecht, weil sie/er sich nicht an Regeln hält oder durch anderes Verhalten, nicht mehr tragbar wäre, für ein gemeinsames Familienleben. Dieses müsste jedoch von den Eltern schriftlich bestätigt werden, damit Ämter, dann Unterstützung, wie zum Beispiel Hartz4 genehmigen würden.
In dem Fall der jungen Frau käme das aber nicht in Frage, weil ihre Mutter ihr dieses Schreiben niemals ausfüllen würde.
Warum? Achtung festhalten….
Die junge Frau wird/wurde seit mehreren Jahren zur Prostitution durch die eigene Mutter gezwungen, damit diese sich ein schöneres Leben machen kann/konnte.
Das hat die junge Frau nervlich so niedergemacht, dass sie bereits in ihrer Heimatstadt, schon des Öfteren weggelaufen war aber immer wieder von ihrer Mutter aufgefunden wurde und weiter gezwungen wurde, sich zu prostituieren.
Ein kranker Gedanke – wie kann die eigene Mutter – ihr eigenes Kind, nur zu sowas zwingen.
Ganz ehrlich? Mir fällt es gerade nicht wirklich leicht diesen Bericht zu schreiben aber sowas muss einfach auch mal öffentlich gemacht werden. Vor allem müssen das die Menschen lesen, die immer sagen „Niemand muss auf der Straße leben“ – doch müssen sie wohl, weil niemand da ist, der ihnen hilft und es keinen Ausweg zu geben scheint, von dort wegzukommen.
Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Wie bereits geschrieben, flüchtete die junge Frau in eine andere Stadt, in der Hoffnung dort unterzukommen – doch auch dort (Wir nennen den Namen der Stadt absichtlich nicht, weil es nicht nur dort so ist, sondern viele andere Städte sich genauso verhalten) wurde ihr Hilfe verweigert – WEIL sie nicht in der dieser Stadt leben würde und auch nicht vorhätte, dort leben zu wollen.
Die Frage an dieser Stelle ist?
Wofür gibt es eigentlich Urteile – wenn man diese eh nicht befolgt?
„Ein mittelloser obdachloser Unionsbürger darf nicht zur Vermeidung seiner Einweisung in eine Notunterkunft auf die Übernahme der Kosten für seine Rückreise an einen anderen Ort (hier Heimatort) verwiesen werden, so das VG Oldenburg, Beschl. v. 05.07.2013 – 7 B 5845/1311 ME.
Das gilt auch für den Fall, dass er Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht beanspruchen kann. Zuständig zur Behebung der mit der Obdachlosigkeit verbundenen Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen ist die Gemeinde, wo der Betreffende obdachlos wird, nicht die Gemeinde, wo der Betroffene gemeldet ist oder war oder wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. „
(Recherchiert von Kay Kuhnert. Danke dafür)
In Zusammenarbeit mit der sozialen Stelle, die uns angerufen hatte, haben wir von UNSICHTBAR e.V. versucht in kürzester Zeit jemanden zu finden, wo die junge Frau für ein paar Nächte unterkommen hätte können. Wenn man von Ihrer Mutter angefangen hatte zu sprechen, fing sie fürchterlich an zu zittern und stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch – ein Zurück kam für uns an dieser Stelle absolut nicht in Frage, doch ist uns das leider nicht gelungen und das Ende der Geschichte ist….
Nachdem die Stadt, in der sie Zuflucht gesucht hat, sie quasi verscheucht hatte, übernahm die soziale Einrichtung, die Kosten für eine Fahrkarte zurück in ihre Heimatstadt, in der sie nun (hoffentlich) von einer Auffangstation empfangen wird und auf ihrem Weg weiter begleitet werden soll, diesen Kontakt stellte ebenfalls die soziale Einrichtung her.
Doch der üble Beigeschmack, der mir persönlich dabei bleibt ist, ja es ist gut, dass sie eine Unterkunft gefunden hat und ja es ist gut, dass sie dort unterstützt wird aber ist es die perfekte Lösung, dass es in der Stadt sein muss in der sie jahrelang von ihrer eigenen Mutter auf den Strich geschickt wurde?
Vielleicht lesen das hier ja auch ein paar Menschen, die in Städten ein paar Etagen höher sitzen und denken mal darüber nach, was wäre – wenn es in ihrer Stadt passieren würde – und mal ganz ehrlich, wen so eine Geschichte nicht berührt, der braucht auch keinen Kardiologen mehr – der kann direkt in die Hölle, braucht nicht mehr über Los und kann sich direkt dort hinbegeben und die Mutter kann er/sie auch gleich mitnehmen.
Ich habe schon viele Berichte über traurige Geschichten geschrieben aber diese haut mich ehrlich gesagt um und macht mich echt traurig.