Wo sind all diese Menschen?
Wo sind all diese Menschen?
Es gibt diese Momente im Leben, die einen still machen. Nicht, weil sie besonders schön sind oder die Art von Erinnerung, die man in einem Fotoalbum festhalten will, sondern weil sie so grausam, so unbarmherzig sind, dass sie einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Sie kommen nicht leise, nicht wie ein sanfter Windstoß. Nein, sie brechen über dich herein wie ein Sturm, reißen alles mit sich. Und plötzlich stehst du da, inmitten der Trümmer deines eigenen Lebens, und fragst dich, wann genau alles kaputtging.
Ich denke oft darüber nach, wie es wohl ist, so zu leben. Jeden Tag mit dem Gefühl aufzuwachen, dass das Leben nur noch ein einziger, endloser Kampf ist. Ein Boxkampf, in dem du nie eine Chance hattest. Und das Schicksal? Es ist nicht dein Trainer, der dir Mut zuspricht, sondern der Gegner, der immer wieder zuschlägt.
Da draußen gibt es Menschen, die jeden Tag mit dem Baseballschläger des Lebens konfrontiert werden. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder. Die Alten, die Kranken, die Einsamen. Die, die keine Hoffnung mehr finden, weil sie zu oft enttäuscht wurden. Jene, die gelernt haben, dass das Leben nichts schenkt, sondern nur nimmt.
Hast du jemals einen Menschen verloren, den du geliebt hast? Es ist wie ein Stück von dir, das herausgerissen wird. Erst stirbt der Partner, dann der kleine Vogel, der dich mit seinem Gesang an bessere Tage erinnerte. Und am Ende stirbt etwas in dir. Nicht laut, nicht dramatisch. Es ist ein stilles Sterben, ein langsames Verlöschen, das dich von innen heraus zerfrisst. Und wenn das alles vorbei ist, wenn du dich selbst im Spiegel ansiehst und nur noch einen leeren Schatten erkennst, dann kommt die Statistik ins Spiel. Dann wirst du vielleicht ein Teil dieser Zahl. Eine Zahl, die keiner mehr versteht, weil sie nur das dokumentiert, was längst zu spät ist.
Und dann kommen die Ratschläge. Diese unsäglichen, schmerzhaft ignoranten Worte, die Menschen mit allem im Überfluss denjenigen hinwerfen, die nichts haben. „Ein Dach über dem Kopf wäre besser.“ Ach, wirklich? Sag das doch der alten Frau, die Flaschen sammelt, weil ihre Rente nicht reicht. Sag das dem Mann, der seit Jahren auf der Straße lebt, weil ein einziger Fehler ihn alles gekostet hat. Und wenn du fertig bist mit deinen klugen Worten, geh und schau in den Spiegel. Frag dich, warum du das gesagt hast. War es wirklich aus Mitgefühl? Oder war es, um dich selbst besser zu fühlen?
Es gibt eine Wahrheit, die keiner aussprechen will: Nicht jeder schafft es. Nicht jeder hat die Kraft, sich aus dem Strudel zu ziehen, der ihn nach unten reißt. Manche Menschen sterben nicht, weil sie es wollen, sondern weil sie glauben, dass es keine andere Wahl gibt. Weil die Dunkelheit so erdrückend ist, dass sie keinen Ausweg mehr sehen. Und während sie um Hilfe schreien, bleibt die Welt still.
Wo seid ihr? Wo sind die Freunde, die Nachbarn, die Kollegen? Wo sind die Menschen, die immer so klug reden, wenn es darum geht, andere zu bewerten? Warum fragt keiner, wie es wirklich geht? Warum bleibt das Lächeln aus, das vielleicht alles hätte ändern können? Warum reicht niemand die Hand?
Manchmal sitze ich da und weine um die, die gegangen sind. Nicht nur um die, die sich entschieden haben zu gehen, sondern auch um die, die sie zurückgelassen haben. Die Freunde, die Familie, die Nachbarn, die jetzt mit der Frage leben müssen, ob sie es hätten verhindern können. Die Antwort ist: Vielleicht. Vielleicht hätte ein einziges Gespräch gereicht. Ein Moment, in dem jemand gefragt hätte: „Wie kann ich dir helfen?“ Aber das werden wir nie erfahren, weil niemand gefragt hat.
Wenn du dies liest und dich fühlst, als wäre es zu spät, bitte ich dich: Gib dir noch eine Chance. Ruf jemanden an. Rede mit jemandem, der zuhört. Und wenn du die Kraft hast, dann sei für jemanden da. Vielleicht sitzt irgendwo ein Mensch, der genau jetzt auf ein Zeichen wartet, auf eine Hand, die ihn festhält. Sei diese Hand.
Und für alle, die glauben, sie hätten keine Zeit: Nimm dir die Zeit. Rede. Höre zu. Denn niemand sollte das Gefühl haben, allein zu sein. Niemand sollte diesen Weg alleine gehen.