Schnüffeltour…

Karin schreibt…

Meldungen, Kälte, Umzug, Hoffnung, Traurigkeit – es war heute alles dabei auf unserer Tour (die Schnüfflis Ute und Andreas sowie ich, Karin).

Zunächst gibt Holger eine Meldung an uns weiter, der wir sofort nachgehen sollen, das Packen des Kangoos kann warten. Andreas startet fix den Wasserkocher, wir nehmen noch eine kleine Thermoskanne mit heißem Wasser mit, die wir an obdachlose Menschen ausgeben. Da ich die letzte Tour gefahren bin, weiß ich, dass Schlafsäcke, Isomatten und Zelte noch an Bord sind. Ich werfe noch schnell ein paar Winterschuhe der Größe, die Holger durchgegeben hat, in die Schuhbox auf dem Rücksitz und dann geht’s los. Zum Glück ist der Treffpunkt nicht wirklich weit entfernt, wir sind schnell da. Holger und zwei Mitarbeiter vom Ordnungsamt sowie eine junge Frau warten auf uns. Die Ordnungshüter verabschieden sich und wir kümmern uns um die junge Frau, sie erhält eine Terrine, etwas zu trinken, die Schuhe, Schlafsack und Isomatte. Außerdem ein Handy, da der Akku ihres Handys leer ist. Wir machen dieselbe Erfahrung wie die Ordnungshüter – wirklich helfen lassen will sie sich nicht. Sie ist verwirrt, erzählt abenteuerliche Geschichten, möchte nur etwas Warmes (Terrine und Schlafsack) – wichtig sind Schuhe, sie läuft in Frotteeschlappen rum. Sie zieht mit Tasche und Habseligkeiten los und lässt uns etwas rat- und hilflos zurück. Wir besprechen mit Holger, dass wir am Ende unserer Tour nochmals nach ihr schauen.

Jetzt zurück zum Lager und den Kangoo packen. Wir sprechen über die Geschichten der jungen Frau und überlegen, was davon real sein kann, haben einige Vermutungen. Egal – es warten sicherlich weitere Menschen auf uns, denen wir helfen dürfen.

An einem Busbahnhof winkt ein Herr, als er den Kangoo entdeckt – ich kenne ihn und stoppe. Andreas erkennt ihn jetzt ebenfalls, hat ihn vor langer Zeit in der Fußgängerzone einer Nachbarstadt gesehen. Er ist entsetzt, wie schlecht unser Bekannter aussieht. Ich antworte, dass ich ihn vor kurzem in einem noch schlechteren Zustand gesehen habe. Auch er erhält Nahrung, Schlafsack, Isomatte und auch ein Zelt. Ich denke wieder an den Winter…

Wir fahren weiter, zu Orten, an denen wir hilfsbedürftige Menschen vermuten und durch Straßen, durch die wir eher seltener fahren. Ute entdeckt in einem breiten Hauseingang eine liegende Person. Sie und Andreas steigen aus, ich parke den Kangoo. Der obdachlose Herr steht mittlerweile bei Ute und Andres, ich erkenne ihn und rufe erfreut seinen Namen. Bei den letzten Touren konnten wir ihn an seinem Stammplatz nicht antreffen und ich habe mir – mal wieder – große Sorgen gemacht. Sein ehemaliger Stammplatz war ihm zu unruhig, an dem neuen fühlt er sich sicher, wird geduldet. Ich gebe ihm nochmals unseren Flyer mit Anlaufstellen und die Notfallkarte und wir hoffen, dass er die Adressen auf dem Flyer auch wirklich nutzt.

An dem Ort, den wir heute als letztes anfahren, finden sich wieder mehr Menschen ein als noch vor kurzem. Ein uns gut bekannter Herr wird von einem Bekannten und einer jungen Frau, die ich noch nie gesehen habe, gestützt. Langsam nähern sie sich dem Kangoo. Furchtbar, ihn so zu sehen. Auch der, der ihn stützt, sieht schlecht aus. Ich habe ihn lange nicht gesehen, mag ihn sehr, der Anblick der beiden tut echt weh…

Andreas versorgt ihn als erstes, die beiden, die ihn gestützt haben, kümmern sich weiter rührend. Ich frage die junge Frau nach ihrem Namen, sie nennt ihn: „J.“ – „Du bist schon die dritte hier mit diesem Namen!“ Sie lacht, ja, ihr wäre auch schon aufgefallen, dass es mehrere „J.“s gibt. Sie berichtet von sich, von Terminen und Plänen. Ich bin begeistert, ermuntere sie, sage, dass ich an sie glaube und erzähle, dass ich vor einiger Zeit fast dasselbe zu einer „J.“ gesagt habe. Und diese „J.“ kam irgendwann zu uns an den Kangoo, strahlend, super aussehend und berichtete, dass sie es dank uns geschafft hat, sie hat eine Wohnung und Arbeit und wie gut, dass ich so auf sie eingeredet hätte. Ich insistiere: „Du bist die zweite „J.“, die es schafft!“ Sie strahlt, bedankt sich für das, was sie von uns erhalten hat „und für die lieben Worte“. Der Herr, der zusammen mit ihr den anderen Herrn gestützt hat, bestätigt: „Das sind die Besten!“

Wir wissen natürlich nie, ob sie Termine und Entzug einhalten – aber das ist in dem Moment, wenn sie uns hoffnungsvoll davon erzählen, völlig egal. Wir unterstützen sie, machen ihnen Mut, in gerade DIESEM Moment haben sie eine Zukunft.

Holger übermittelt erneut eine Meldung: Die junge Frau, der wir am Anfang der Tour geholfen haben, ist jetzt in der Fußgängerzone aufgetaucht. Da wir eh am Ende der Tour nach ihr sehen wollten, fahren wir jetzt zur angegebenen Adresse. Wir finden auf einer Bank die ausgerollte Isomatte, den ausgepackten Schlafsack. Wir laufen rum, fahren Nebenstraßen ab – aber wir finden sie nicht.

Wir beenden die Tour. Andreas lässt das Schicksal der jungen Frau nicht los, er überlegt immer wieder, was passiert sein könnte. Wir werden es vermutlich nie erfahren… wie meistens, wenn sie einfach weg sind…
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