Besondere Menschen in der Nacht…
Holger schreibt…
Sabrina und ich auf Tour durch die Nacht
Heute war dann um 5:00 Uhr Feierabend, gestern bei Karin und Ute um 3:00 Uhr, ein anderes Team kommt an einem anderen Tag um 2:00 Uhr rein und ein anderes wiederum um 4:00 Uhr – also immer zu Zeiten, zu denen man denkt: Ja, haben die denn einen an der Waffel? Und ja, tatsächlich haben wir alle einen an der Waffel. Wenn man mal davon absieht, dass wir von der dunklen Tageszeit in die stockfinstere Tageszeit hineinfahren, darf man auch etwas gaga sein.
Mal Hand aufs Herz – Oft werden wir gefragt, wo wir eigentlich sind. Unsere Antwort: mitten in der Nacht, genau dann, wenn die meisten schlafen. Natürlich kam uns schon der Gedanke, unsere Arbeit auf den Nachmittag zu verlegen. Wir wären sichtbarer, könnten mehr Menschen erreichen, und wahrscheinlich würden auch die Spenden steigen.
Doch dieser Gedanke verschwand genauso schnell, wie er kam. Denn auch wenn die Nächte hart sind und uns nur wenige wahrnehmen – außer denjenigen, denen wir helfen oder die uns rufen –, bleiben wir unserem Weg treu. Für kein Schulterklopfen der Welt würden wir unsere nächtliche Arbeit auf der Straße aufgeben, denn sonst würden wir diesen besonderen Menschen nicht begegnen – wie z.B. dem Herrn, der aus Frust irgendwelche schädlichen Substanzen genommen hatte und sich in dem Moment, als er uns sieht, sehr über unsere Hilfe freute, weil sonst gerade in diesem Augenblick niemand für ihn da war“
Wir würden auch Menschen wie einem anderen Herrn nicht begegnen, der heute unser Auto ganz vorsichtig berühren wollte, weil er dachte, es muss weich sein und es muss Flügel haben – es könnte ja ein Engel sein. Wir würden nicht erleben, wie er uns erzählt, dass er heute seiner Familie so vieles erzählen wollte, aber immer, wenn er anfing zu reden, er unterbrochen wurde. Wir würden nicht miterleben, wie dieser Mensch gar nicht mehr aufhört zu reden und uns dabei fragend anschaut, als würde er sich fragen, warum wir ihm jetzt nicht ins Wort fallen. Wir würden nicht miterleben, was für ein wundervolles Gefühl das ist, als er plötzlich sagte: Niemand hört ihm zu, alle unterbrechen ihn, und dann – seine Hand möchte wieder das Auto berühren – dann kommt ihr und zeigt mir, dass es doch noch Sinn macht zu hoffen, dass es Sinn macht, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es Sinn macht, weiterzumachen.
Sabrina und ich saßen gefühlte 30 Minuten im Auto und hörten dem Herrn zu, wie er über sich, über sein Leben und ganz besonders über seine Traurigkeit erzählt hat, die wir ihm mit unserem Schweigen letztendlich dann doch ein bisschen nehmen konnten.
Wo wir denn stecken? Genau da, wo wir gebraucht werden. Mitten in der Nacht, ohne Schulterklopfer, dafür aber mit ganz viel Herz und manchmal auch dem Vergleich, dass unser Auto ein Engel sein könnte.
„Unser Dank gilt allen Unternehmen, Einrichtungen, Vereinen, Stiftungen und Privatpersonen, die uns auf unserem Weg unterstützen und gemeinsam mit uns Licht in die Dunkelheit bringen.“