Karins erste Meldetour, Nacht 1
Karin schreibt…
Meine (Karin) erste Meldetour…
Holger hat einen Termin in Frankfurt und daher übernehme ich für 2 Nächte die Meldetouren. Der Kangoo steht jetzt also in Hagen statt in Ennepetal! Das Packen abends geht schnell: Lediglich eine Kanne kochendes Wasser stelle ich in die Halterung.
Nacht 1: Alles ruhig – ein gutes Zeichen. Tagsüber übernimmt Holger wieder, meldet sich am frühen Nachmittag – Meldung von der Feuerwehr, ein guter Bekannter braucht dringend Hilfe. In wirklichen Notfällen fahren wir auch tagsüber raus – und so starte ich Richtung Stadt und angegebener Adresse.
In einem Wartehäuschen einer Bushaltestelle sehe ich ihn sitzen. Im Schlafsack, auf der Isomatte. Er winkt, als er den Kangoo sieht, ich parke, Warnblinkanlage an und erst mal eine herzliche Begrüßung. Wir haben uns erst vor 2 Tagen gesehen, sein Zustand hat sich nicht verbessert. Wie auch.
Und jetzt erlebe ich etwas völlig Neues: Den unerwartet gravierenden Unterschied zwischen Nachttouren und tagsüber raus zu einem Notfall. Nach fast 60 Nachttouren in 9 Monaten macht sich nicht wirklich Routine breit – wir wissen nie, was auf uns zukommt. Aber die ganze Atmosphäre ist tagsüber eine völlig andere. Das grelle Tageslicht, der Verkehr, die Menschen – das ist so völlig konträr zur Nacht, hat eine völlig andere Dimension.
Wie dieser obdachlose Mensch dort sitzt… wirklich richtig, richtig elendig aussieht… der Krach… vorbei eilende Menschen… Tageslicht… dem Allen gnadenlos ausgesetzt… ja – ich habe natürlich wieder einen Kloß im Hals.
Ich haue raus, was der Kangoo hergibt. Ich frage ihn, ob er nicht vielleicht eine Mütze braucht. Zögernd: „Ja – jetzt, wo du’s sagst…“ Und Handschuhe? „Och – jaaa… hast du auch Socken?“ Na klar. Einfach unfassbar, dass dieser Mensch seinen Sinn für Humor nicht verloren hat. Ich kann ihn schlecht verstehen, der Verkehr ist laut, er spricht sehr leise. Ich beuge mich zu ihm herunter, höre zu und er macht Dönekes. Wir lachen beide (der Kloß im Hals lässt sich nicht weglachen).
Ich bleibe noch einige Zeit bei ihm, mag ihn nicht allein lassen, erfahre sein Alter, wie lange er auf der Straße ist und einiges mehr. Nebenbei registriere ich die Reaktionen der Passanten. Ja, sie sind nicht umsonst unsere UNSICHTBAREN. Aber das ist mir lieber, als dass sie verspottet, angepöbelt oder noch viel schlimmer verprügelt und ermordet werden.
Ich bitte ihn, auf sich aufzupassen. Er antwortet: „Passt ihr auf euch auf. Die Welt muss weitergehen.“ Puh – das ist eine unlösbare Aufgabe. Wir können die Welt nicht retten, aber unser kleines Universum UNSICHTBAR e. V. besser machen.
Auf der Heimfahrt kommen dann doch Tränen. War ja klar…
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EHRENAMT BEI UNSICHTBAR e. V.
Das Ehrenamt bei UNSICHTBAR e. V. besteht nicht ausschließlich aus der Arbeit auf der Straße. Bring dich zum Beispiel in der Fahrzeugpflege mit ein, sortiere, packe und waschen und reinige regelmäßig unsere Fahrzeuge, denn auch das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.
Werde Teil von etwas Großem – werde ein Teil von UNSICHTBAR e. V.“