Bei Vollmond an der Volme
Bei Vollmond an der Volme…trafen wir gestern nur wenige Obdachlose an. An diesem Karfreitag fuhren Olaf, Jens und ich (Monika) nach Hagen. Wir suchten zunächst zwei uns bekannte Stellen ab. Eine Decke, mit Steinen beschwert und ansonsten leer…ein Platz direkt an der Volme, völlig gesäubert, weil dort gerade Bauarbeiten stattfinden.
Weiter zu einem großen Platz. Dort waren wir mit einem alten Bekannten verabredet. Er war völlig aufgelöst. Mitten in der Nacht hatten ihn drei Männer überfallen und mit einem Knüppel verletzt. Er war noch in der Lage gewesen, die Polizei zu rufen, die dann zumindest einen der Täter fassen konnte. Die Verletzungen machten unserem Bekannten zu schaffen, mussten jedoch nicht weiter behandelt werden. Gott sei Dank. Mittlerweile waren noch drei andere Obdachlose dazugekommen. Hier und an diesem Abend noch an einem anderen Ort hörten wir natürlich Mutmaßungen über die Gründe der drei „Schläger“. Aber Jens, Olaf und ich waren uns da einig: Die Frage nach den Gründen erübrigt sich, weil es keine gibt. Kein Grund der Welt rechtfertigt das feige und brutale Draufknüppeln auf jemanden, der hilflos am Boden liegt. Aber leider ist das ja kein Einzelfall, wie man aktuell gerade wieder der Presse entnehmen konnte.
Während der Gespräche versorgten wir alle mit heißen Terrinen, Kaffee, Wärmekissen… Nachdem der Verletzte uns verlassen hatte, gingen die Gespräche auch in andere Richtungen; Erlebtes und auch Belangloses wurde ausgetauscht. Plötzlich sagte jemand in unsere Richtung : „Du hast eine irre Frisur.“ Da ich mich nicht angesprochen fühlte, schaute ich auf Olaf, der sofort reagierte und meinte: „Ich kann ja wohl nicht gemeint sein.“ Stimmt! Was ich zu viel auf dem Kopf habe, hat er etwas zu wenig. Die Situation sorgte für viel
Gelächter. Das sind alles in allem die Momente, die „Unsichtbar“ ausmachen. Neben der unmittelbaren Versorgung mit Essen, Getränken, Matten, Schlafsäcken und vielen anderen Dingen, sind es die Gespräche über ernste Themen, Sorgen, Alltägliches und Lustiges. Eben Gespräche zwischen Menschen, die sich für Menschen interessieren. Wir alle merken dann, wie gut das allen tut.
Danach besuchten wir noch einen obdachlosen Herrn, den wir am letzten Montag erst kennengelernt hatten. Er wurde anscheinend operiert und müsste dringend nachbehandelt werden. Seine Hand ist sichtbar entzündet. Aber schon das Wort „Doktor“ ließ ihn abwehrend gestikulieren. Er spricht kein Deutsch und wir unterhielten uns mit viel Gestik und Mimik. Neben Suppe und Kaffee konnten wir ihn auch mit Desinfektionsmittel und Pflaster für die offenen Stellen an seinen Händen versorgen. Er war fast schon rührend dankbar. Wir hoffen sehr, dass er doch noch einen Arzt aufsuchen wird.
Am Schluss kamen wir noch einmal an der Bekannten vorbei, die wir vorher schon getroffen hatten. Inzwischen hatte sie ihren Schlafplatz eingerichtet. Sie erzählte von einem angeblichen Freund, der sie in einer Situation, in der sie Hilfe gebraucht hätte, im Stich gelassen hatte. Das ist bitter, zumal das Leben auf der Straße die Auswahl an Freunden auch sehr beschränkt. Während wir sprachen huschte eine Ratte ein paar Meter entfernt vorbei. Sie suchte nach Beute zum Überleben: der Rest einer Pizza, ein Stück von einem Sandwich… „Ich will gar nicht wissen, was mich nachts so alles berührt“, kommentierte unsere Bekannte. Ihr Platz war jedoch akribisch aufgeräumt, um solche „“Überfälle“ zu vermeiden.
Wir fuhren dann, nachdem wir ansonsten niemanden mehr angetroffen hatten, nach Hause und in meinem 4 Wänden dachte ich: Welch ein Privileg, sorglos und geschützt schlafen zu können, ohne Angst vor menschlichen „Ratten“, die auf wehrlose Opfer einschlagen und vor tierischen Nagern. Wobei mir die letzten im Vergleich schon fast sympathisch sind.