Heute fährst du aber mal nicht raus
Heute fährst du aber mal nicht raus, sagte mir Mutter heute früh noch. Zweimal hintereinander und dann Samstag noch, reicht das nicht?
Alles gut, sagte ich – heute fahre ich nicht raus.
Nachdem ich am frühen Abend Bea nach Hause brachte und im Radio lief, dass es heute Blitzeis geben soll und das Wetter zunemend schlechter wird, brach ich kurzum mein Versprechen, wechselte die Fahrzeuge, füllte heißes Wasser auf und fuhr los.
Alleine unterwegs, fragte mich der erste Herr, den ich antraf.
Ja alleine, guck mal auf die Uhr sagte ich, da schlafen doch alle normalen Menschen.
Seit der Aussage bin ich jetzt Clubmitglied im Club der Nichtnormalen, denn mit einem Lächeln sagte er mir dann, boahr gut das es auch noch Menschen gibt, die nicht normal sind, willkommen im Club.
So richtig kalt wollte es nicht werden, frisch und etwas unangenehm ist es – zugegeben aber fies kalt, sowie angekündigt? Nö
Jetzt geht mir gerade das schlechte Gewissen durch den Kopf, schließlich habe ich Mutter angekrückt und bin doch rausgefahren aber gegen die Sucht den Menschen auf der Straße zu helfen, ist kein Kraut gewachsen.
Eine ganz andere Sucht hat ein Herr der ja eigentlich gar keine Sucht hat aber eben auch den Drang verspürte hier und da mal 20,00 Euro in den Automaten zu schmeißen, um dann eben irgendwann mehr draus zu machen und wenn er es dann geschafft hat, würde es ihm nicht reichen und er würde den Gewinn wieder reinschmeissen, weil es könnte ja doch mal klappen und wenn dann wieder alles weg wäre, müsste er eben etwas zusammen sammeln, um das zurück zu gewinnen, was er vorher verloren hat aber von Sucht, davon möchte er nicht sprechen.
Und wenn er den Jackpot geknackt hat und 89 Millionen abgeräumt hätte, dann würde er so weiter leben, wie jetzt – nur ein bisschen bequemer.
Träume und Süchte liegen manchmal verdammt eng aneinander.
Letztendlich war es gut rausgefahren zu sein, weil ich auf einige Menschen getroffen bin, die sich gefreut haben, UNSICHTBAR e.V. zu sehen, die gerne ein wenig stehen blieben und erzählten, gerne etwas warmes zu trinken und essen annahmen und mir dann eine gute Weiterfahrt wünschten.
Komm gut durch die Nacht, sagte mir einer von ihnen. Es gibt soviel kranke und bösartige Menschen da draussen auf den Straßen und ich schaute ihn an und sagte – das er sich sicher sein könnte, dass es die nicht nur auf den Straßen gibt, die sind überall.
Ich verabschiedete mich, stehe nun an meiner Stammtankstelle, schreibe den Bericht und mache mich dann gleich mal auf den Weg weiter in die Nacht hinein.