Hinschauen
Menschen, die dort leben, wo sie niemand vermutet.
Seit Jahren sage ich, dass ich mir sehr sicher bin, dass viele obdachlose Menschen im Wald leben oder eben so zurückgezogen, dass sie kaum jemand findet, was ja auch Gründe hat.
Und die Gründe dafür sind, weg von alle dem, Sicherheit suchen, in Ruhe gelassen werden, Ruhe zu haben – vielleicht eine Stelle gefunden zu haben, wo das Zelt oder die aufgebaute Unterkunft perfekt in das Bild der Natur passt, so dass niemand darauf kommen würde, dass dort überhaupt jemand wohnt.
Und dann gibt es die Menschen, die einmal hinschauen, zweimal hinschauen und beim dritten Mal hinschauen, unsere Nummer wählen – sich Sorgen machen, dass es dem Menschen, der dort wohl lebt, nicht gut geht und uns dann dort hinschickt, damit wir schauen.
Haben wir getan und werden wir immer wieder tun, nur dieses Mal war es ein bisschen anders.
Die Straße, die gar nicht so weit von der Meldung entfernt war, ist stark befahren – doch niemand hats gesehen, bis auf die Dame, die mit ihrem Hund dort spazieren ging.
Der Weg dorthin, matschig und unwegsam und eigentlich ist es jetzt nicht so, dass ich nicht einfach dahin gehe aber die Stelle, wo sich wohl jemand befinden sollte, war mir dann allein doch zu unsicher und ich rief Frank an und erzählte ihm davon.
Dieser machte sich direkt auf den Weg und keinen zehn Minuten später war er dann auch schon da.
Dann sind wir den Weg zu der Meldung gegangen und sind dann auch auf einen Herrn getroffen, der uns innerhalb von wenigen Minuten, so kam es mir vor, seine komplette Lebensgeschichte erzählt hatte, und zwar so schnell, dass ich nach fünf Minuten irgendwie den Faden verloren hatte und um ihn nicht zu unterbrechen, nur noch kopfnickend vor ihm stand.
Frank erklärte ihm dann noch was wir machen und wie wir helfen und wenn er was brauchen würde, er sich bei uns jederzeit melden könnte.
Heute brauchte er nichts, verschwand dann wieder in seiner „Unterkunft“, in der er einen kleinen Ofen hatte, der ihn Wärme schenkte, bedankte sich vorher noch bei uns und versprach uns sich zu melden, wenn er dann was brauchen würde.
Auftrag ausgeführt – Meldung angefahren – Nachgeschaut, ob alles in Ordnung ist – der Melderin eine Rückmeldung gegeben und wieder einmal festgestellt, dass es sie doch gibt, die Menschen, die im Wald leben, dort wo Fuchs und Gans sich gute Nacht sagen, dort wo niemand vermuten würde, jemanden zu finden, der dort lebt.
Und gerade deshalb ist es umso wichtiger hinzuschauen – haltet nicht nur in den Städten die Augen auf, sondern auch – wenn Ihr im Wald spazieren geht, schaut hin und ruft uns an, selbst dann, wenn ihr Euch nicht ganz sicher seid.
Wir sind die – die rausfahren und nachschauen – die Euch darüber berichten, Euch anschreiben oder zurückrufen, damit ihr Bescheid wisst, ob und wie wir helfen durften und wir sind die, die jeden Tag auf der Straße sind, die – die im Hier und im Jetzt handeln, die denen kein Weg zu matschig ist und die, denen Wind und Wetter egal sind.
Wir sind UNSICHTBAR e.V.