Ich merke gerade, das klingt eher wie ein Aufruf, mitzumachen.
„Gestern war ich mit Holger und Peter auf Tour nach Bochum unterwegs. Ich schreibe ja am liebsten über etwas, das für mich jeweils wie eine Art Motto der Tour war. Oder ein roter Faden, der uns als Team begleitet hat.
Dieses mal waren es zwei Fragen, die immer irgendwie mitschwangen, die mich besonders berührt haben. Lustigerweise klingen die erstmal wie Gegensätze: „Was bringt man mit, wenn man sich Unsichtbar anschließt?“ und „Was bekomme ich, wenn ich mich Unsichtbar anschließe?“. Aber zusammen machen sie das große Ganze aus, das hinter unserem Verein steckt.
Zu den Fragen.
Mitbringen tun wir erstmal vor allen Dingen eines: Uns selbst. Und zwar genauso, wie wir sind. Es gibt nicht die EINE Type Mensch, die man sein muss, um bei der Arbeit mit obdachlosen Menschen richtig aufgehoben zu sein. Wir sind alles und nichts davon: groß, klein, dick, dünn, berufstätig, Rentner, Hausfrau, Haustierdompteur, Familienmanager. Wohlhabend, den Groschen umdrehend, motorisiert oder auch nicht. Lärche oder Nachteule. Temperamentvoll, zurückhaltend. Emotional, leidenschaftlich oder mit kühlem Kopf. Wir sind 25, 48 oder 65 Jahre alt. Wir sind komplett chaotisch oder wahre Organisationstalente. Wir arbeiten gerne direkt auf der Straße oder lieber im Hintergrund. Wir haben Ängste und sind unglaublich mutig. Wir haben Lust auf Action oder wissen nicht, wie wir den Mut aufbringen sollen, uns dem Tag zu stellen. Wir sind Hans im Glück und manchmal die Pechmarie. Aber egal WIE wir sind, egal WER wir sind und egal WAS wir sind, wir alle haben Stärken und Schwächen, von denen unser Verein lebt.
Du fühlst Dich unsicher, weil Du im Leben schon viel mitgemacht hast? Prima! Denn dann verstehst Du vielleicht besser als jemand anderes, wie schnell man auf der Straße landen kann. Du bist manchmal einsam? Dann verstehst Du, warum unsere Gespräche mit den Menschen genauso wichtig sind wie der Schlafsack. Du bist ein totaler Chaot? Prima! Dann bist Du vielleicht auch kreativ und flexibel und hast Ideen für uns, die kein anderer hat. Du weißt, ohne Organisation geht nichts? Finden wir gut. Denn ohne das Projekt-Team, das zum Beispiel gewissenhaft unsere TOMs packt und das Lager organisiert, wäre das Straßenteam nicht in der Lage, sich um obdachlose Menschen zu kümmern.
Und wer soviel zu geben hat an das Engagement bei uns, der bekommt ganz viel hiervon zurück: Menschliche Nähe, Freundschaften, Erfolgserlebnisse, das Wissen, wichtig zu sein. Und noch viel mehr: Das GEFÜHL, wichtig zu sein. Zu erkennen, dass man nicht machtlos ist, nicht unbedeutend. Lernen, dass man Teil von einer Gemeinschaft ist und dass die Stärke dieser Gemeinschaft vieles möglich macht. Erschöpfende Arbeitstage enden mit menschlicher Nähe. Depressive Tage und Wochen bekommen durch den Straßenplan Struktur. Die eigene Einsamkeit hört dort auf, wo man mit Menschen Gemeinsamkeiten erkennt und auslebt.
So viele Menschen, Fähigkeiten, Schwächen und Talente, so viele Bedürfnisse und soviel eigene Geschichte – es kann jeder sein, wie er ist. Alles hat seinen Raum.
Ich merke gerade, das klingt eher wie ein Aufruf, mitzumachen. 😀 Aber dieser „Aufruf“ ist auch ein „Bericht“. Denn all das, über das ich geschrieben habe, lag uns gestern auf dem Herzen. Und da Unsichtbar nicht NUR aus der Arbeit für obdachlose Menschen und Bedürftige besteht, sondern auch aus der Arbeit mitEINANDER, gebe ich diesen Gedanken jetzt hier einfach mal ihren Raum.“