Ihm flossen die Tränen nur so aus dem Gesicht.
Unsere gestrige Tour, die bis gerade eben andauerte, fing in Hagen an, wo Sabine W. und ich eine Meldung von einem ziemlich verzweifelten uns bekannten obdachlosen Herrn bekamen.
Er war total fertig mit den Nerven, alles habe man ihm versaut, aber so richtig versaut. Er ist jetzt 35 Jahre alt und kommt sowieso schon so sehr schlecht mit seiner Situation zurecht und dann hat er sich auch schon einen Platz gesucht, den man eigentlich gar nicht finden kann.
Dort hat er es ein kleines bisschen wohnlich eingerichtet, alles was man braucht, um zu mindestens ein bisschen auf der Straße über die Runden zu kommen.
Seinen Schlafsack, eine Isomatte, einen Campingkocher und etwas über dem Kopf und um ihn herum ein paar Wände, die ihm Schutz gewähren – hier bist du sicher, dachte er.
Doch scheinbar ist man nirgendwo mehr sicher und Schutz bietet dir auch nichts mehr, selbst die kleinste Ecke findet man und dann, dann schaute er uns an und fing herzergreifend an zu weinen.
Ihm flossen die Tränen nur so aus dem Gesicht.
Wer macht denn sowas, fragte er – warum nimmt man mir denn auch noch das allerletzte und was habe ich verbrochen, dass ich so sehr bestraft werde.
Was denn überhaupt los wäre, fragte Sabine ihn.
Weißt du, sagte er – wenn irgendwelche jugendlichen Menschen, die schon des Öfteren zu ihm kamen, um ihre Mutproben bei ihm auszuprobieren, dann wäre das das Eine und damit könne er auch leben und selbst wenn sie ihm seine Sachen kaputt machen würden, auch damit könne er leben, zu mindestens hätte er dann immer noch etwas, womit er sich zudecken könnte aber das was jetzt passiert ist, das würde ihn aus der Spur werfen und damit könnte er gar nicht umgehen.
Als wir gehört haben, was passiert war – konnten wir es erst gar nicht glauben und waren für einen Moment sprachlos, bis uns erstmal klar wurde, was uns der Herr da erzählte.
Selbst ein normaler Menschenverstand, kann sowas nicht glauben – es dann aber zu machen, da muss in jedem der sowas tut, die komplette Befüllung an Hirnwassers des Hirns abhandengekommen sein. Irgendwas muss da definitiv falsch gelaufen sein, um so etwas tun zu können.
Normal kann man nicht sein und eine Mutprobe ist sowas in keinster Weise mehr.
Er zeigte uns Bilder (die wir hier nicht veröffentlichen möchten) auf denen zu sehen war, dass alle seinen Sachen, wie der Schlafsack, die Isomatte und selbst der Gaskocher mit Fäkalien verdreckt worden sind. Auf dem Gaskocher muss sich jemand quasi draufgesetzt haben und dort sein Geschäft verrichtet haben.
Irgendwie wird alles immer schlimmer und während der Mann neben uns stand und seine Tränen nur so durch sein Gesicht liefen, schaute Sabine und ich uns an und selbst uns viel in dem Augenblick nichts mehr ein.
Wie krank muss jemand im Kopf sein, der sowas tut?
Wir versuchten ihn mit einem Kaffee, einem neuen Schlafsack und einer neuen Isomatte zu beruhigen und nach einer gewissen Zeit, ist uns das wohl gelungen und als wir uns dann auf den Weg machten, rief er uns hinterher.
Vielen Dank, ich habe euch lieb – euch kann man nicht beschreiben und ohne euch, wüsste ich nicht, ob ich nicht schon lange aufgegeben hätte.
Puh – sowas geht unter die Haut und der Weg – der uns von dort nach Wuppertal, zu unserem eigentlich gestrigen Einsatzort führte, war eher leise, denn das mussten wir beide erst einmal verdauen.
Dann holten wir Vincent ab, 22 Jahre jung und immer, wenn er morgens zur Arbeit geht, sieht er die Menschen, die dort draußen schlafen, auf der Straße liegen und genau diesen Menschen wollte er helfen.
Er erzählte uns das er Google einmal kreuz und quer gelesen hätte und dabei auf uns gestoßen sein, dann schrieb er uns vor einiger Zeit eine E-Mail, wir telefonierten und heute begleitete er uns das erste Mal.
Wir freuen uns immer ganz besonders, wenn sich uns Menschen anschließen, um dort draußen zu helfen, dort wo Menschen auf dem Asphalt leben und dort wo es immer mehr werden, die kein Dach über dem Kopf haben.
Mit 22 Jahren geht man eigentlich Party machen, mit Freunden auf Tour – doch für Vincent stand fest – er möchte helfen und das erzählte er seinem Bruder und den Mitbewohner aus seiner WG und alle waren total begeistert, von seiner Idee und unterstützen ihn dabei.
Wir fuhren uns bekannte Stellen an und versorgten die, die wir vorfanden mit etwas heißen, wie Kaffee und Suppe und schenkten ihnen unsere Zeit, um mit ihnen zu sprechen – nachdenklich aber auch ab und zu einfach nur lustig – immer so, wie es die Situation zuließ.
Irgendwann brachten wir Vincent dann nach Hause und machten uns selbst auf den Weg zurück.
Als wir schon gerade die Stadtgrenze von Schwelm überfahren hatten, klingelte das Telefon.
Eine Meldung aus Wuppertal – zwei obdachlose Menschen bräuchten dringend einen Schlafsack.
Also Blinker setzen und umdrehen – im gleichen Augenblick entschied sich ein Birnchen vom Abblendlicht zu verabschieden und wir fuhren noch aufmerksamer durch die Stadt zurück in den Ort, aus dem wir eigentlich gerade erst kamen.
Das ihr noch gekommen seid, damit hätten wir nicht gerechnet, sagte einer von den Beiden und der andere meinte darauf hin, aber wer sie kennt, weiß das sie halten, was sie zusagen und umso größer war die Freunde, dass wir dann nun da waren.
Im laufe des Gesprächs kam ein dritter obdachloser Herr dazu, der gerne eine Terrine nahm und die beiden anderen Herrn, hatten nun jeweils einen Schlafsack, Isomatten und jeder einen Kaffee und auch eine heiße Terrine für den Bauch.
Selbst wenn man schon fast am eigentlichen Ziel angekommen ist und kurz vorher dreht um nochmal zurück zufahren ist jeder Kilometer wichtig den wir fahren, um zu denen zu kommen, die unsere Hilfe brauchen.
Danke das wir helfen durften.