Knallhart

Knallhart
…wenn es darum geht, das bisschen, dass geblieben ist zu verteidigen.
Den Verkehr, den hörst du nicht mehr, daran gewöhnt man sich schnell aber bei Stimmen wachst du auf und kannst jedes Wort verstehen und Wörter verraten oftmals Dinge, die auf dich zukommen werden und dann nutzt du diesen Augenblick, aufzustehen – dir den Stock zu schnappen und darauf zu warten, dass das was vorher besprochen wurde, in die Tat umgesetzt werden soll.
Obdachlosigkeit ist kein Kinderspiel und hat auch nichts damit zu tun, dass es mal ne Runde Spaß macht, sich auf die Straße zu legen und das „freie“ Leben zu genießen.
Obdachlosigkeit ist knallhart geworden und es wird immer schlimmer, denn es gibt sie und auch sie werden immer mehr – die Menschen, die Rasierklingen unter den Armen tragen und denken sie sind ein Verschnitt aus Arnold Schwarzenegger und Chuck Norris
– für einen Augenblick den Glauben daran, Arme wie Betonpfeiler zu besitzen und wenn es darum geht, schnell zu sein – rennen zu können wie ein Ninja – doch bei diesem Obdachlosen hat sich dieser Gedanke bereits innerhalb von drei Wochen, als fatal herausgestellt.
„Ich höre ihre Stimmen, wie sie sich zusammentun und sagen, lass uns den mal aufmischen, der kann sich eh nicht wehren“ oder so ähnlich.
Dann geht’s los – sie kommen machen auf toll und großartig, denken gemeinsam sind sie stark und ich mache dann lediglich von meinem Hausrecht gebrauch.
Weit ist noch niemand von ihnen gekommen und hin und wieder tat es dem ein oder anderen auch weh.
Bevor jetzt der Gedanke aufkommen sollte, was ist das denn für ein brutaler obdachloser Mensch ist, möchte ich diesen Gedanken gleich mal im Keim ersticken, denn was würden wir tun?
Wir sitzen zu Hause, trinken uns gemütlich einen Kaffee und plötzlich stehen Arnold und Chuck mit seinen Freunden in unserem Wohnzimmer und blasen zum Angriff.
Weglaufen wäre eine Option, am besten wir würden ihnen noch freundlich die Hände schütteln und ihnen alles geben, was wir besitzen – oder – wir warten kurz, lassen das mit dem Hände schütteln sein und jagen sie dahin zurück, woher sie kommen – im besten Fall vor die Tür.
Sowas nennt man dann Selbstverteidigung und jeder dem wir diese Geschichte erzählen würden, würde uns zustimmen, bei dem wie wir gehandelt haben.
Macht das jetzt ein Mensch, der keine Tür in seiner Wohnung hat und der all dem noch viel mehr ausgesetzt ist – ist gleich brutal?
Wenn dann „gleiches Recht für alle“ – es kann nicht sein das der eine etwas darf, weil er noch mitten in der Gesellschaft funktioniert und der andere es nicht darf, weil er eben obdachlos ist.
Also sollte der Gedanke sich still und heimlich ins Hirn geschlichen haben, dass man es hätte, anders lösen können – bitte direkt wieder in den Magen schicken, weil Blödsinn.
Das Beispiel mit der Wohnung wäre dann eher brutal, weil es wäre schon ziemlich doof wenn man jemandem freundlich die Tür öffnen würde, der schlechtes im Sinne hätte und man das auch vorher schon wüsste und dann gibt man ihm alles mit oder haut ihm auf die Nase, nachdem der erste Fernseher unterm Arm Richtung Ausgang verschwindet. Wer würde das tun? Wohl niemand – also niemand der noch in irgendeiner Art und Weise klar denken kann.
Eine obdachlose Person hat keine Türen, nichts um sich herum, was ihm oder ihr eine Entscheidung überlässt, den Buhmann jetzt reinzulassen oder nicht.
– Knallhart eben –
Wie auch immer – mache keine Unterschiede zwischen dir und obdachlosen Menschen, denke immer erst darüber nach, was du tun würdest, würdest du in der Situation desjenigen sein, über den du da urteilen möchtest.
Und dann waren da noch all die anderen, denen Sabine Wiegand-Steffan und ich heute helfen durften.
Es gab Maggi Terrinen und auch mal zwei, zudem gab es Kaffee und einem Mann, der mit leiser Stimme um eine Decke bat, für diesen Menschen gab es einen Schlafsack, denn er fror und konnte den Kaffee und die Terrine kaum halten, so kalt war es ihm.
Ein anderer würde sich über eine Pizza freuen, heute jedoch reichten ihm die Terrinen und ein Kaffee und es muss auch keine große sein – ob er keine große schaffen würde, fragten wir.
Eine kleine würde reichen, mehr kann ich doch nicht verlangen, sagte er.
Also wird es auf unserer nächsten Tour dorthin eine große werden – niemand redet hier von verlangen, zu viel nehmen oder übertreiben.
Niemand tut das, also nicht in unseren Augen, wenn wir einen Wunsch erfüllen dürfen/können – erfüllen wir ihn, ohne zu fragen – wir machen dann einfach und warum?
Weil wir es können!
Die Gespräche mit den Menschen auf der Straße – heute in Wuppertal, waren nicht überaus lang, aber intensiv und wir haben uns ausgetauscht, lachten gemeinsam und kamen ins grübeln und spürten sie wieder diese blöde Kälte, die selbst uns warm gekleideten Helfer von UNSICHTBAR e.V. durch Mark und Knochen ging.
Unterwegs durch die Nacht, zu denen, die uns bereits erwarten, weil sonst niemand für sie da ist, wenn die Uhrzeit in eine Richtung geht, in der andere bereits schlafen.
Gute Nacht
Heute um 17:00 Uhr kommt der nächste Beitrag von uns, in dem es um eine weitere Tour am gestrigen Tag ging – eine Meldung der wir nachgingen, zu der ich mir Frank dazu holte, weil alleine war es mir dann doch ein bisschen zu unheimlich.