Nicht nur gesehen werden, sondern ein Stück weit dran teilhaben und akzeptiert werden
Unsere heutige Tour führte uns erst in unser Lager.
Wie immer musste der Wagen aufgefüllt werden, weil nach den nächtlichen Touren, die wir damit fahren, sehr oft einiges fehlt – was von den Menschen, denen wir auf der Straße begegnen gebraucht wird.
Dann ging es über Land, durch Wetter und Witten, nach Bochum.
Wir hatten Windeln für Stefan (Name geändert) an Bord, die er sich sonst hätte kaufen müssen und wenn das Geld eh schon knapp ist – helfen wir da natürlich gerne und die Menge, die wir ihm brachten, dürfte jetzt erstmal etwas ausreichen.
Doch, bevor wir zu ihm fuhren, machten wir noch einen kleinen Abstecher an eine andere Stelle.
Dort begrüßten wir vier obdachlose Menschen, drei von ihnen waren uns neu.
Steven (Name geändert) war begeistert, was in ein Auto so alles reinpasst und das all das nur für Menschen ist, die so leben – wie er – auf der Straße!
Eine Suppe machte ihn glücklich und auch der Schlafsack, der ihm heute Nacht Wärme schenken sollte, machte ihn schon fast sprachlos. Der ist nagelneu – was für ein Wahnsinn und auch über die Isomatte und einen TOM freute er sich.
Dann erzählte er uns darüber, dass er kürzlich an der Lunge operiert wurde und man ihn nicht wirklich gut behandelt hätte, dort wo er eben operiert wurde – Fragezeichen machten sich bei ihm breit und der Gedanke lag ihm nahe, ob es daran gelegen haben könnte, dass er eben nur ein obdachloser Mensch sei.
Diese Frage konnten wir ihm nicht beantworten und unterhielten uns danach noch ein bisschen über dieses und jenes und auch mit seiner Freundin, die dabei war.
Sie hatte drei Kinder, die ihr alle weggenommen wurden und als ihr Mann anfing, sie zu schlagen, verlor sie obendrein auch noch ihre Wohnung und ist seit etwa drei Monaten auf der Straße.
Der Hauptgedanke war, dass sie heute nicht wussten, wohin!?
Angst machte sich breit, auf Grund der Ausgangssperre verjagt zu werden – doch was das anging, konnten wir sie schnell beruhigen und sagten ihnen das die Behörden dafür in der Regel Verständnis hätten.
Sie dürften sich eben nur nicht weiter als ein paar Meter von ihrem Schlafplatz entfernen, während die Ausgangssperre läuft.
Auch sie bekam eine Suppe, eine Isomatte, einen Schlafsack und einen TOM und der Herr, der gerade noch rechtzeitig dazu kam, als Thorsten und ich schon fast im Auto saßen, bekam auch noch eine Suppe und einen Schlafsack.
Danach ging es zu Stefan, der obdachlose Herr, von dem wir schon berichtet hatten, der jenige, der im Rollstuhl sitzt und dem wir bereits einen weiteren Kontakt, zu einer Gruppe Menschen vermittelt hatten, von denen er Kleidung bekommen könnte.
Sie hatten sich auch schon bei ihm gemeldet und uns Grüße ausgerichtet – Gemeinsam eben!
Stefan trafen wir winkend an, er freute sich sehr über unser Erscheinen, eigentlich sowie immer.
Als wir das Fahrzeug verließen, zwitscherte er gerade ein Lied und war richtig fröhlich.
Hauptthema war dann mal wieder Fußball – dafür hatte ich ja die richtige Person dabei.
Zwischen diesem wichtigen Gespräch gelang es mir hin und wieder mal zu fragen, ob er einen Kaffee möchte und ob die Windeln richtig sind!?
Beides wurde mit ja beantwortet und dann versanken sie wieder in das Thema, welches für mich nach wie vor böhmische Dörfer sind – Fußball – und Zeit, um mich zu ärgern hatten sie unter anderem auch noch.
Irgendwann konnte ich die beiden dann voneinander trennen und wir setzten unsere Fahrt fort.
Navi ein – Zielort: Wuppertal
Kurz vor der Ausfahrt Sprockhövel bekamen wir von Andreas Steinhof eine WhatsApp – In Bochum wurde ein junger Mann gesehen, der noch relativ jung sei und einen Rucksack tragen würde und Bernd (Name geändert) heißen sollte.
Also – runter von der Autobahn und direkt wieder drauf.
Navi geändert – Zielort: Bochum
Dort angekommen, gingen wir die gemeldete Stelle großräumig ab und trafen unter anderem auf vier Polizeibeamte, die wir nach der Person fragten.
Trotzdem dass sie sich gerade in einem Einsatz befanden, wurden wir freundlich begrüßt und ob wir eine Karte von uns hätten, fragte uns einer von ihnen – wodrauf ein anderer sagte: „Das ist UNSICHTBAR e.V. – von denen haben wir eine Karte auf der Dienststelle liegen“.
Dann bekamen sie aber trotzdem eine Karte und das Ende vom Lied war dann, dass die Beamten darüber nachgedacht hatten, wen sie alles kannten aber ein Bernd war ihnen nicht bekannt.
Sie halten die Augen auf – genauso wie auch wir sie aufhalten werden.
„Nicht nur gesehen werden, sondern ein Stück weit dran teilhaben und akzeptiert werden.“
Wir sind vielleicht auf Grund der auffälligen Fahrzeuge bekannt, haben aber auch mittlerweile einen sehr guten Kontakt in den verschiedenen Städten zu Ordnungsämtern und der Polizei, was unsere Arbeit natürlich nicht nur im Bezug auf das durchfahren der Städte um einen großen Teil einfacher macht, sondern auch über die Meldungen und die sehr gute Zusammenarbeit, mit den Behörden, was obdachlose Menschen angeht.
Das hätte ich bei Gründung des Vereins so nie erwartet und jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, da werden wir nicht nur gesehen, sondern auch für das was wir tun, von diesen wichtigen Menschen, die Tag täglich für alle Menschen und deren Sicherheit sorgen unterwegs gegrüßt und in Gespräche mit einbezogen.
Dafür ein großes Dankeschön, an jeden dieser Menschen, die uns diese Wertschätzung schenken.
Danach ging es wieder ins Auto
Navi ein – Zielort: Wuppertal
An der Ausfahrt Sprockhövel hatten wir ein kurzes Déjà-vu – so als wären wir hier schonmal gewesen.
In Wuppertal angekommen, durften wir hier noch zwei Suppen und zwei Tassen Tee verteilen, einer dritten obdachlosen Person, mussten wir dann aber sagen, dass uns die Müdigkeit gerade einholt und wir das längere Gespräch, welches er sich gewünscht hätte, auf ein andermal verschieben müssen.
Irgendwann ist man einfach groggy – müde und kaputt – da hört man dann aus weiter Ferne, dass Bett rufen und kann dem Gedanken sich gleich darein zu legen einfach nicht widerstehen und folgt dann dem Ruf aus der Ferne.
Wir wünschen euch eine gute Nacht, kommt gut in den Tag – allen Beamten, die jetzt noch auf der Straße unterwegs sind, um für Recht und Ordnung zu sorgen und auch allen Einsatzkräften, die jeden Tag versuchen Menschenleben zu retten, wünschen wir ebenfalls eine gute Nacht – passt auf euch auf.
Gute Nacht