Nichts läuft wie geplant
Nichts läuft wie geplant
Planen können wir bei dem was wir tun grundsätzlich nichts, wir fahren einfach drauf los und schauen, was da dann so auf uns zu kommt.
Unsere heutige Tour fing um 21:00 Uhr an und nun haben wir 04:30 Uhr – eine etwas längere Tour, die hinter uns liegt und wenn ich so auf unser Blatt schaue, auf dem wir immer notieren, was wir rausgegeben haben und mal über den Abend nachdenke, dann waren es gar nicht mal so viel Menschen, denen wir begegnet sind, doch jeder war für sich etwas Besonderes, sowie alle Menschen auf ihre eigene Art und Weise, jeder für sich auch etwas Besonderes sind.
Auf das was uns unterscheidet, brauche ich aber wohl nicht mehr genauer einzugehen, denn bis auf die Wohnsituation unterscheidet uns nichts voneinander.
Gar nichts
Es sind alles Menschen, die Hunger haben, die Augen haben, eine Nase, einen Mund und ein Kinn, Beine, Arme, einen Bauch, einen Hals und Menschen, die wie du und ich Gefühle haben, Redebedarf haben, nachdenken – fröhlich und traurig sind,
Menschen eben, genauso wie du und auch ich.
Begleitet haben mich heute Abend, Kiki und Monika, auch zwei besondere Menschen, die mit uns zusammen zu denen gehen, die eben genauso sind, wie du und ich auch, nur eben dass sie kein warmes Bett und Wände um sich herum haben und wenn sie müssen, nicht auf Toilette gehen können und sich auf eine sauber Schüssel zu setzen, um dort ihr Geschäft zu verrichten.
Abgesehen davon das sie nichts von uns unterscheidet, sind es eben nur Kleinigkeiten, die für uns alle so sehr wichtig sind, auf die diese Menschen aber verzichten müssen, die sie dann doch von uns unterscheiden – was sie aber nicht unmenschlicher macht.
Kiki und Monika hatten heute die Getränke und Suppen zubereitet, die Beiden waren immer so schnell am Auto, dass ich dann letztendlich nur danebenstand und zuschauen konnte, und all das taten sie aus aller Freude, um die zubereiten Sachen, dann den Menschen reichen zu können.
Das war echt toll und ging immer so schnell, dass wir dann umso mehr Zeit hatten uns mit den Menschen, denen wir helfen durften, auch noch einige Gespräche führten – längere Gespräche und teilweise auch intensivere.
Bei einem Herrn, dem sehr kalt war und den wir regelmäßig antreffen, gab es erstmal einen heißen Kaffee und eine Suppe. Ihm war so kalt, dass er kaum die Hände bewegen konnte und wir ihm den Kaffee dann zum Beispiel in die beiden steif gefrorenen Hände schon fast reinstecken mussten, damit diese etwas Wärme bekamen.
Unser Wasser ist kochend heiß und wir verbrennen uns regelmäßig die Finger an den Pappbechern, doch er spürte nur eine wohlige Wärme, die nach dem ersten Schluck nicht nur sein inneres aufwärmten, sondern dann irgendwann auch seine zitternden Hände.
Da hat Bochum so richtig einen draufbekommen, bei der letzten Fußballpartie, sagte er – das schlimme an der Sache ist nur, dass die ganzen Fans, dann immer so frustriert sind und ihre schlechte Stimmung an mir auslassen und seine Augen wurden bei dem was er da sagte, dann plötzlich traurig.
Dann schaute er uns an und fragte: „Was macht Putin?“
Unglaubliche und sinnlose Dinge antworteten wir und wieder schaute er uns an und schien die Welt nicht zu verstehen, was aber verständlich war, denn wer versteht schon Kriege und wer versteht, wenn es darum geht, sinnlos Blut zu vergießen!?
Irgendwann machten wir uns dann wieder auf den Weg, versprachen ihm aber im Anschluss nochmal vorbeizukommen.
Dann trafen wir einen weiteren Herrn, der dem es wichtig ist, nicht aufzufallen, denn wenn man nicht gleich für jeden anderen Menschen, obdachlos wirkt, hat man nur halb soviel Probleme, sagt er immer und immer wieder.
Er nannte uns ein paar Stellen, an denen den ganzen Tag über andere obdachlose Menschen gesessen hatten und wir da mal schauen fahren sollten, was wir auch taten, nur dann niemanden angetroffen hatten.
Danach besuchten wir noch eine weitere Person, die jedoch schlief, schon tief und fest und nachdem wir uns davon überzeugt hatten, dass sie noch atmet, sind wir dann nochmal zu dem Herrn gefahren, dem wir anfangs versprachen, nochmal wieder zu kommen.
Da saß er nun und der Schlafsack, den wir ihm geschenkt hatten, lag schon fast auf der Erde.
Kiki und ich stiegen aus und muckelten ihn gemeinsam etwas ein, so dass die Kälte von vorne zu mindestens nicht mehr so arg zu ihm durchdringen konnte.
Dann war das nächste Ziel eine weiteres Stellen und auch dort lagen Sachen aber es war niemand vor Ort, also ging es dann weiter in eine andere Stadt, in der wir eine uns bekannte Person trafen, mit der wir uns auch unterhielten und der wir sagten, dass auch sie besonders ist und sich viele Menschen um sie Sorgen machen würden.
Ihre Geschichte und die damit verbundene traurige Familiengeschichte kann niemanden kalt lassen und ich denke selbst Kiki und Monika, sind in dem Augenblick tausend Gedanken durch den Kopf geschossen, als sie uns ihre Geschichte erzählte.
Der Versuch sie dazu zu bringen, zusammen mit den Streetworkern eine Lösung für Ihre Situation zu finden und sich Ziele zu setzen, um diese dann leben zu können, verschaffte ihr zu mindestens ein Lächeln ins Gesicht.
Wir werden sie weiterhin an ihre Ziele erinnern.
An einer anderen Stelle, an der wir einen Herrn, mit einer Suppe und einem Wasser etwas Gutes tun durften, viel mir eine Frau an einer Bushaltestelle auf, die ich spontan fragte, ob sie denn auch einen Kaffee haben möchte?
Die Entscheidung, sie zu fragen, war genau die Richtige, denn sie kam gerade von einer Freundin, die sie sitzen gelassen hatte und auf Grund dessen das sie gar kein Geld mehr in der Tasche hatte, um irgendwie nach Hause zu kommen, wollte sie nun auf einen Bus warten, der sie vielleicht mitnehmen würde.
Irgendwann, kein Geld und dann mit dem Bus? Ähmmmm – nö….
Ihre Aussage – gehen ginge nicht mehr, weil es ihre körperliche Verfassung und die damit zusammenhängende Krankheit nicht zulassen würde, noch so weit zu gehen, lies mich ohne lange nachzudenken zu dem Entschluss kommen, für sie ein Taxi zu rufen, den Fahrer zu bezahlen und sie sicher zu Hause angekommen zu wissen.
Was wir dann auch taten, sie trank ihren Kaffee noch auf, setzte sich in das Fahrzeug und ich hörte sie dann hinter mir sprechen, wie sie zu dem Fahrer sagte – die haben mir einfach mein Taxi bezahlt, wodrauf er dann sagte: Es ist doch schön, dass es solche Menschen noch gibt.
Danach sollte es eigentlich noch in eine andere Stadt gehen, doch auf dem Weg dahin, entschieden wir uns die Tour zu beenden und nach Hause zu fahren, ins warme Bett zu gehen, die um uns herum stehenden Wände zu betrachten und auf Klo gehen zu können, wann auch immer wir müssen, ohne ersteinmal eine geeignete Stelle dafür zu finden um dann wieder einmal festzustellen, dass uns bis auf ein paar Kleinigkeiten, absolut nichts von diesen Menschen unterscheidt.