Noch immer mit den Gedanken verbunden

Hier nun der Bericht, unserer Tour vom gestrigen Abend, bis hin in die Nacht.
Noch immer mit den Gedanken verbunden, von der Tour davor, die mich persönlich traurig gemacht hat, die mich wie ein Bumerang knall hart getroffen hat und mir wieder mal gezeigt hat, was eine gewissen Art und Weise von Einsamkeit, mit einem eigentlich machen kann.
Wir schreiben hier eigentlich nichts Persönliches und werden das auch in Zukunft nicht tun, aber es ist eben auch wichtig für euch zu sehen, dass wir – die da draußen versuchen zu helfen, alles „nur“ Menschen sind, die jeden Tag etwas von den Erfahrungen, die wir eben dort draußen machen, vieles davon mit nach Hause nehmen. Heute mal mehr, ein andermal vielleicht auch weniger aber immer ein kleines bisschen.
Und die „ehrenamtliche“ Arbeit, die wir leisten, einem sicherlich viele gute Gefühle geben aber auch Narben hinterlassen oder Wunden öffnen, die man geglaubt hat, schon längst geheilt zu haben.
Jemand sagte mal, wenn wir sowas schreiben, grenzt das an Selbstbeweihräucherung – dass sehe ich in keinster Weise so – wir sind eben keine Maschinen, sondern Geschöpfe aus Fleisch und Blut, mit Gefühlen und Gedanken, die darauf warten, wie bei allen anderen Menschen auch, Antworten zu bekommen, auf Fragen, die immer wieder unbeantwortet scheinen.
Diese zwei älteren Menschen, deren Geschichten tief gegangen sind, die alte Wunden wieder neu entdeckt haben und seid dem diese Fragen immer und immer wieder aufkommen lassen.
Der Mensch ist eben ein Gesellschaftstier, es liegt nicht in seiner Natur allein zu sein – sowas kann für eine bestimmte oder auch längere Zeit gut gehen, aber irgendwann braucht man einfach die Nähe und Geborgenheit, nach der sich jeder von uns sehnt.
Ich kann, auch wenn ich sicherlich noch nicht dieses Alter, der
beiden Personen – denen wir begegnet sind, erreicht habe – mich aber sehr gut in die Gedanken beider hineinversetzen.
Der eine der etwas verloren hat und nun dasteht, ohne nichts und der andere, dessen Träume von heut auf morgen, brutal beendet wurden.
Es mag vielleicht gefühlsduselig erscheinen und auch ein kleines bisschen melancholisch aber ob jetzt ich, der hier all diese Texte schreibt oder all die anderen Menschen, die uns schon fast täglich auf die Straße begleiten – wir sind und bleiben Menschen, die alle zusammen, Gedanken in sich tragen, die man auch Träume nennt und die sich wünschen würden, irgendwann erfüllt zu werden – die sich danach sehnen eben nicht irgendwann die gleichen Geschichten zu erzählen, wenn wir irgendwo alleine stehen und wir gefragt werden, warum wir so traurig aussehen und wir dann erzählen müssen, dass verlorenes – verloren ist und Ziele – Ziele geblieben, aber nie erfüllt wurden.
Manche Erfahrungen, die wir dort draußen erleben, begleiten uns eben noch eine ganze Weile und sprechen unser inneres Ich an – um vielleicht das ein oder andere zu ändern, doch gibt es im Leben oftmals Momente – die von selbst kommen oder eben nie erscheinen werden.
Daran ändert man nichts, dass nennt man Schicksal – entweder es sieht es so mit einem vor oder eben auch nicht.
Gestern begleitete mich dann Jens auf unsere Tour.
Als erstes fuhren wir wie gewohnt ins Lager, um den Wagen auszufüllen – erstmal die Frühlingssommerschlafsäcke, gegen die auszutauschen, die für den Sommer, also die heißen Tage vollkommen ausreichend sind, auch hatte Bea Wachsmann uns eine Tasche für den älteren Herrn aus dem Wohnwagen zusammengestellt.
Unter anderem legte sie ein Radio mit in die Tasche, über das er sich später wirklich sehr freute.
Danach ging es dann los – wir hatten kurz vorher einen Anruf bekommen, ob wir bitte nach Hagen kommen könnten und ein paar Sachen bringen könnten, weil die Schlafstelle, in der die beiden, die uns angerufen hatten, von heut auf morgen, nicht mehr erreichbar war und sie ein Zelt und Schlafsäcke brauchten.
Also Kurs – Richtung Hagen, doch dann bekamen wir noch einen Anruf aus Wuppertal, den wir dann noch vor Hagen anfuhren – dort mussten wir kurz eine Kleinigkeit erledigen und machten uns dann im Anschluss daran, auf den Weg in die Richtung des Herrn im Wohnwagen, der allerdings schon schlief, uns aber dann doch noch die Tür öffnete und sich über einen Kaffee und die Tasche von Bea sehr freute.
Er lächelte, bedankte sich und entschuldigte sich, dass er gerne wieder schlafen gehen möchte – was natürlich vollkommen ok war, es war schließlich schon kurz vor Mitternacht.
Danach ging es zu unserer Verabredung nach Hagen und wir durften die versprochenen Sachen übergeben, Kaffee und Suppe gab es auch noch.
Alles ein bisschen stressig gestern, so dass kaum Zeit blieb, längere Gespräche einzugehen – schade irgendwie aber manchmal erreichen uns Meldungen aus den verschiedenen Städten, in so kurzen Abständen, dass wir manchmal von hier nach da und von dort wieder zurück nach da fahren müssen.
Die gestrige Tour war so von Anlaufstellen übersäht, dass der volle Tank am Ende der Nacht leer war und wir die gefahrenen Autobahnkilometer (In der Regel vermeiden wir Autobahnen aber manchmal gehts einfach nicht ander), schon gar nicht mehr überschaut hatten.
Kurz ein Stepp nach Bochum, wo uns auf der Fahrt dort hin ein Anruf aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis erreichte, der komplett am anderen Ende des Kreises lag.
Freunde eines jungen Mannes, um den sie sich Sorgen machten, riefen uns um Hilfe. Also kurz Bochum angeschnitten und wieder auf die Autobahn zurück.
Wir sprachen mit ihnen und unterhielten uns auch mit dem jungen Mann, aber er wollte keine Hilfe und versprach uns – diese Nacht bei einem Freund unterzukommen.
Seine Geschichte mit seinen jungen Jahren war bei weitem nicht schön, aber mehr als unterhalten, lies diese Situation nicht zu.
Danach ging es dann nochmal nach Wuppertal – in die Innenstadt, die selbst um zwei Uhr in der Nacht noch voller Menschenmengen war, was uns und unserem grünen Vereinswagen aber nicht davor scheute, uns unseren Weg dadurch zu bahnen, um zu den Stellen zu kommen, wo wir helfen durften.
Es gab noch Kaffee und etwas Süßes und dann fuhren wir, auch wenn wir zu dem Zeitpunkt schon deutlich müde waren, nochmal zu der Stelle im Ennepe-Ruhr-Kreis, um nach dem jungen Mann zu schauen, der aber schon weg war und danach fuhr ich Jens nach Hause und anschließend mich selbst auch.
Und dann geht die Tür auf und wieder kommen einem die Geschichten der zwei älteren Herren in den Sinn und der Kopf fängt, auch wenn er zu dem Zeitpunkt eigentlich nur ans Bett gedacht hatte, darüber nach, dass er genau die Situation irgendwann einmal ändern möchte – irgendwann die Tür zu öffnen und sich auf eine Stimme zu freuen, die einen begrüßt.
Aber wie schon geschrieben – wir sind alles nur Menschen und Träumen gehört dazu, dass wir leben und atmen können, und hin und wieder erfüllen sich ja auch mal welche – manchmal eben auch nicht und dann – ja dann bleibt einem nichts anderes übrig, als weiter zu träumen.
Aber damit bin ich bei weitem nicht alleine und ich bin mir sehr sicher, dass sehr viele Menschen genauso denken, fühlen, spüren – ganz besonders die, die auf der Straße leben, gerade für diese Menschen, muss dieses Gedankenkino, noch sehr viel intensiver sein und wünsche jeden Menschen auf dieser Erde, irgendwann einmal sein Ziel zu entdecken und dann genauso leben zu dürfen, wie es jeder von ihnen jemals gewünscht hat.
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Heute Abend fahren Thorsten Biermann und Bea Koßmann auf Tour, was die Beiden dort erlebt haben, werden wir euch dann schreiben.
Euch noch einen schönen Sonntag