Plötzlich krampfte der Herr
Plötzlich krampfte der Herr und fiel mit lautem Schnarchen in den Schlaf
Wenn wir Menschen mit auf die Straße nehmen, die helfen möchten, Gutes tun möchten, einfach dabei sein möchten, wenn wir, wie in diesem Fall, durch die Straßen fahren, um nach denen zu schauen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, sagen wir immer am Anfang, dass die ersten ein, zwei Erfahrungen, die ausschlaggebenden sein werden, die darüber entscheiden, in diesem Ehrenamt zu arbeiten, oder eben auch nicht.
Auch wenn ich sage, dass diese Hilfe eine „Sucht“ werden wird, denken anfangs die meisten, dass ich scherze, letztendlich – früher oder später, bestätigen mir sehr viele dann aber diese Aussagen, dieses Gefühl, diesen Drang – rauszufahren, um nach diesen Menschen zu schauen.
In unserem anderen Bereich, in dem wir bedürftigen Menschen helfen, die zwar ein Dach über dem Kopf haben, jedoch auch durch die unterschiedlichsten Umstände, teils in sehr schwierige Lebenssituationen geraten sind, sieht das auch nicht viel anders.
Helfen macht nicht nur Spaß – Helfen kann süchtig machen und wir alle freuen uns jedesmal wieder darüber, helfen zu dürfen.
Die ersten Male sind Endscheidungen und Gedanken, die tiefsten – alle weiteren Einsätze, die dann folgen, sind wichtig, um all das teilweise überhaupt – hin und wieder – verkraften zu können.
Auch heute habe ich noch Geschichten aus der Vergangenheit im Kopf, die mir dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, die ich treffen muss, ohne lange darüber nachzudenken.
Menschlich verändert man sich, nachdem man da draußen war, wenn man erlebt und gefühlt hat, wie es den Menschen, dort auf der Straße geht.
Hier bedeutet Veränderung aber nicht, dass sie negativ sein muss (es muss ja auch nicht immer alles negativ sein, im Leben) – es wird lediglich nur etwas in uns reaktiviert, dass wir eigentlich so nur aus unserer Kindheit kennen. Es ist ein Gefühl, dass uns einfach machen lässt, einfach ohne lange nachzudenken, handeln und reagieren lässt.
Als wir Kinder waren, sind wir mit einer ungezwungenen Art und Weise in Pfützen gesprungen, ohne über die Folgen nachzudenken, mit der Zeit, in der wir älter wurden, hat sich dann die Lebenserfahrung eingeschlichen und wir wurden vorsichtiger, oftmals auch zu vorsichtig, um einfach mal, wie in diesem Beispiel, eben in eine Pfütze zu springen und so unserem Bauchgefühl zu folgen.
Die Arbeit auf der Straße kombiniert das Ganze – die gesammelten Erfahrungen dort und dieses Gefühl einfach machen zu wollen – hilft jedem ehrenamtlichen Helfer auf der Straße dabei – schnell zu handeln, einfach mal machen und durch unsere gesammelten Erfahrungen, wenn man das jetzt mal diese Pfütze als Beispiel nehmen würde, dann würden wir heute erstmal schauen, wie tief diese eigentlich ist und dann erst würden wir „vielleicht“ hineinspringen und das tun, was das Herz gerne möchte.
Es gibt ein Buch mit dem Titel „Aussöhnung mit dem inneren Kind“ sehr interessant zu lesen und nur zu empfehlen.
So genug darüber gesprochen und eigentlich auch schon wieder viel zu viel aber wer mich kennt, weiß das ich gerne mit Beschreibungen ins Detail gehe und wenn es dann etwas länger dauert, dann ist das ebenso.
Schimpfen hilft nichts Ich bin da wie ein kleines Kind, dass trotzdem so weiter macht, wie ich eben gerne schreibe.
Und weil all das ebenso ist, übernehme ich gerne die ersten Erfahrungen, all der Menschen – die sie mir dann am Ende ihrer Tour mitteilen, weil das der Augenblick ist, der sie auf dem Weg durch dieses Ehrenamt, immer und immer wieder begleiten wird und ihnen dabei hilft, eben Entscheidungen zu treffen.
So genug von mir – hier nun der erste Erfahrungsbericht von Tanja
Gestern war meine zweite Tour mit Unsichtbar e.V. und gemeinsam ging es nach Wuppertal.
Schon zu Beginn unserer Fahrt konnten wir zwei bekannten Herren eine Freude mit Kaffee und einer warmen Mahlzeit machen, haben kurz miteinander geredet und setzten dann unsere Tour fort.
Wir fuhren weiter zu einem festen Platz, an dem zwei junge Männer ihr Lager hatten – allerdings war ihr Lager geräumt. Wir stiegen aus dem Auto, um in der näheren Umgebung nach ihnen Ausschau zu halten und wurden tatsächlich fündig.
Sie erzählten, dass vor kurzem der Rasen an ihrem Platz gemäht wurde und sie kurz darauf – von einer Behörde, des Platzes verwiesen wurden, mit der Drohung räumen zu lassen und bevor ihr letztes Hab und Gut durch diese Räumung verloren gehen würde, den Anweisungen gefolgt sind.
(Anmerkung: Diese Aussage wurde dem Team, von den beiden Herren so mitgeteilt, ob sie dem genauen Wortlaut entspricht, können wir nicht sagen)
Danach sind sie ganz in der Nähe neu untergekommen, allerdings weniger wind- und wettergeschützt. Hier konnten wir die zwei mit einem TOM, warmen Mahlzeiten, Eistee und Süßigkeiten versorgen.
Sie bedankten sich und wir zogen weiter.
Danach schauten wir an weiteren bekannten Schlafstellen nach, trafen auch hier jemanden an, der sich gerade schlafen legte. Wir sprachen ihn noch an, ob er etwas benötigen würde, welches er verneinte.
Wir setzten die Tour fort und konnten jemand weiteres mit einem Kaffee und etwas Süßem versorgen.
Weiter auf der Fahrt gingen wir noch einer Meldung nach, wir hielten an, um nachzufragen, ob etwas benötigt wird.
Hier übergaben wir eine warme Mahlzeit und einen Eistee und unterhielten uns noch kurz.
Plötzlich krampfte der Herr und fiel mit lautem Schnarchen in den Schlaf, wir sprachen in mehrfach an und ließen ihn nicht aus den Augen. Wir wollten gerade den Notruf absetzen, als er wieder erwachte und erstmal sichtlich irritiert war. Er erinnerte sich nicht an das Krampfen, als er wieder ansprechbar war.
Wir blieben noch eine Weile, sprachen mit ihm, versorgten ihn zusätzlich mit Wasser & Süßigkeiten.
Als wir ihn fragten, ob es ihm wirklich wieder gut ginge oder ob wir doch einen Krankenwagen rufen sollten, bestätigte er, dass alles wieder ok sei und er keinen benötigte.
(Anmerkung:
Nach einem gerade geführten Gespräch, mit einem Rettungssanitäter, welchem ich diese Situation geschildert hatte, war seine Antwort.
Das wir in diesem Fall vollkommen richtig gehandelt hatten, weil die Person im Nachhinein, ärztliche Hilfe abgelehnt hatte.)
Wir machten uns dann weiter auf den Weg, besprachen im Auto aber noch eine kleine Runde zu drehen, um einige Minuten später nochmal nach ihm zu sehen.
Das taten wir dann auch und als wir das zweite Mal da waren, schlief der Herr schon, so dass wir uns langsam auf den Rückweg machten.
Zuhause angekommen, ließ mir die Situation mit dem krampfenden Herrn keine Ruhe, ich googelte natürlich nach den Symptomen und dachte noch eine Weile über den Abend nach. Meine Begleitung und ich schrieben nochmal kurz miteinander und hatten dem zweiten Straßenteam, welches auch auf Tour war, Bescheid gegeben.
Diese beendeten sofort ihre derzeitige Tour und machten sich auf den Weg, um nach dem Herrn zu sehen.
Das beruhigte mich sehr. Sie redeten mit ihm er erzählte, dass er das wohl schon mal hatte, sich aber kaum erinnert.
„Da werden wir dann mal öfters gucken, als wir es bereits jetzt schon tun.“, war Holgers Aussage und genau das finde ich an diesem Verein so schön.
Hier wird geholfen – immer und zu jeder Zeit, völlig unkompliziert und wenn es sein muss, auch ein zweites oder drittes Mal, so wie in dieser Nacht.
Es ist so wichtig, nacheinander zu sehen, sich zu kümmern, andere wissen und spüren zu lassen, dass sie nicht allein sind, jemand auf sie Acht gibt und nach ihnen schaut.
Was für eine aufregende Tour!
Ich habe mich zu jeder Zeit sicher gefühlt, wurde freundlich begrüßt und bin froh, hier und da gemeinsam im Team, Menschen mit dem Nötigsten versorgt zu haben. Ich danke dem Team fürs Mitnehmen und für den Einblick in diese unfassbar wichtige und wertvolle Arbeit und freue mich schon auf die nächste gemeinsame Fahrt.
Zum Schluss nahm ich noch ein paar Flyer von Unsichtbar e.V. mit, die ich dann in den kommenden Tagen hier und da mal platzieren & verteilen werde.
Liebste Grüße Tanja
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Danke Tanja (Tagliatella Carbonare) das du uns mit deinen Worten mitgeteilt hast, wie du in diesen Augenblicken empfunden hast und dieses Ehrenamt, in diesem Moment gelebt hast.
Jens, der mich in der gestrigen Nacht begleitet hatte, war genauso wie auch ich von dem Sandmann schon sehr tyrannisiert worden, aber nichtsdestotrotz war es für uns gar keine Frage dort hinzufahren, auch wenn wir gerade über 60 km entfernt waren. Bei sowas kommt es nicht auf die Entfernung an – hier zählt nur eines – nach den Menschen schauen und das egal wann und wo.
Nachdem wir bei dem Herrn gewesen sind, der uns – sowie auch dem anderen Team erzählte, dass er das schon öfters gehabt hätte und die Ärzte wohl nicht wüssten was das ist, baten wir ihn darum, dass trotzdem abzuklären, weil er eben alleine und versteckt – hier auf der Straße leben würde und wenn mal niemand vor Ort ist, dann hoffentlich nichts schlimmeres passieren würde.
Jens viel in unmittelbarer Nähe ein weiterer Herr auf, dem wir noch eine Suppe schenken durften und irgendwann beendeten dann auch wir unseren Einsatz.
Auch heute fährt wieder ein Team raus, jedoch in eine ganz andere Richtung, was aber nicht heißt, dass wir nicht nach ihm schauen werden und ich kurzfristig ein weiteres Team zusammengestellt habe, um nach dieser Person zu schauen, ob dort alles in Ordnung ist.
Noch eine kleine Anmerkung:
Manchmal passieren soviele Sachen an einem Abend, da vergisst man einfach ein Foto zu machen und auch wenn diese Bilder, vieles wiederspiegeln, ist der Moment, in dem wir uns kümmern, wichtiger als jedes Foto, dass man machen würde.