Sicherheit hat absolute Priorität!

Karin schreibt…

Sicherheit hat absolute Priorität!

Wie Holger bereits am 15.06. in seinem Bericht schrieb, gehen wir auf unseren Touren keine Risiken ein. Erscheint eine Situation oder eine unübersichtliche Lokalität als bedenklich, brechen wir ab.

Wie viele von euch wissen, fährt UNSICHTBAR.e.V. – bzw. Holger – nachts auch auf Meldung heraus. Meldung bedeutet einen Anruf von Polizei, Feuerwehr, DRK, etc., aber auch von Passanten, dass ein obdachloser oder hilfsbedürftiger Mensch gesehen worden ist, der offensichtlich Hilfe benötigt. Manchmal erfolgt eine Meldung sogar von Mitgliedern – so wie heute.

20.06.2024 – Susanne S. und ich (Karin) sind diejenigen, die mit gut gefülltem Unsichtbar-Kangoo losfahren, um das zu tun, wozu wir hier sind und was uns am Herzen liegt: Obdachlosen Menschen gut durch die Nacht zu helfen.
Zunächst steht der Ennepe-Ruhr-Kreis auf unserem Plan, aber der obdachlose junge Mann ist nicht anzutreffen. Weiter Richtung Märkischer Kreis zu einer Stelle, an der sich 3 obdachlose Herren einen Schlafplatz eingerichtet haben. Es wird ungemütlich: Es regnet mal wieder. Die Schlafplätze sind zum Glück überdacht, ich parke den Kangoo direkt an den Plätzen. Einer der Herren liegt zusammengerollt unter einem Schlafsack, für uns nicht erkennbar. Aber sein Nachbar macht uns klar, dass dort jemand liegt. Wir verstehen kaum etwas von dem, was er sagt, zum Sprachproblem kommt der Alkohol hinzu. Er braucht jetzt unbedingt etwas zu essen, möchte auch einen Kaffee – und was Kaltes zu trinken erhält er natürlich auch. Der Platz nebenan ist von einem Herrn belegt, den wir besser verstehen und den wir ebenfalls versorgen dürfen und der sich so richtig über Süßes freut. Einige der obdachlosen Menschen haben Diabetes, sie wissen das und können – zumindest halbwegs – damit umgehen. Zuckerhaltiges kann für sie lebensrettend sein.

Wir machen uns auf zur nächsten Station – weder Susanne noch ich waren vorher schon mal dort. Wir parken in einiger Entfernung… obwohl nicht außerhalb gelegen, erscheint der Ort nicht vertrauenserweckend. Wenn selbst Holger unüberschaubare Stellen meidet, wenn er allein unterwegs ist, sollten wir zwei Frauen nicht lieber auch…
Wir sind uns sicher, dass Holger diesen Platz kennt und rufen ihn an: Ist er für zwei Frauen sicher oder eher nicht? Holger beschließt, dass wir die Stelle anfahren sollten, aber nicht alleine. Wir verabreden uns an einer Tankstelle.
Und wieder mal: Zufall oder Schicksal? Ich bleibe dabei: Es ist Schicksal. Kaum haben wir beide Unsichtbar-PKW nebeneinander geparkt, kommt eine ganz kleine, schmale Frau mit riesigem Rucksack eilig auf uns zu, hinter ihr – eher zögernd – ein Mann, ebenfalls mit Rucksack. Sie kennt uns, erzählt, dass sie nicht mehr obdachlos und vor kurzem aus der Entgiftung gekommen ist und eine Unterkunft in einer offenbar städtisch geförderten Einrichtung erhalten hat. Sie erzählt noch viel mehr, hat großen Redebedarf. Ihr Begleiter hat heute Nacht Unterschlupf bei ihr gefunden, hat Hunger und Durst. Es findet sich ein weiterer Bekannter des Duos ein, hat ebenfalls Hunger. Ich gehe zum Kangoo, öffne die Heckklappe und rufe: „Dann kommt mal her!“ Die beiden lassen sich das nicht zwei Mal sagen, nicken mit leuchtenden Augen, als ich ihnen anbiete, was sie erhalten können. Der Obdachlose, der das Glück hat, für den Rest der Nacht untergekommen zu sein, erzählt sehr viel – und wieder ist da diese Sprachbarriere. Ich verstehe nur einen Bruchteil, aber aus dem Kontext kann ich mir einiges zusammenreimen und offenbar reagiere ich richtig… 😉– Ich frage ihn, woher er kommt, er antwortet ‚Polen‘ und fragt, woher ich komme. Meine Antwort lautet ‚Deutschland‘ und er sagt: „Sie sprechen gut Deutsch!“ Das trifft mich völlig unvorbereitet und ich muss laut lachen. Er freut sich diebisch, hat diesen Witz mit Sicherheit schon oft gebracht, kichert fröhlich vor sich hin, sagt immer wieder: „Spaß“. Ich habe schon mal darüber geschrieben und es bewahrheitet sich immer wieder: Wie gut es ihnen tut, wenn sie mit uns reden und – ganz wichtig! – lachen können. Und ich weiß mal wieder, warum ich diesen „Job“ mache und liebe…

Wir fahren weiter – zunächst zu einem Bahnhof in der Stadt, völlig neue Situation – die Unsichtbar-Wagen im Konvoi. Wir parken nebeneinander und warten. Holger nutzt die Gelegenheit, unser Netzwerk zu erweitern und nimmt Kontakt zu 2 Polizisten und einer Polizistin auf. Kurze Zeit später stehen sie am Kangoo und Holger erklärt den Inhalt und das, was wir so tun. Sie sind sichtlich interessiert und beeindruckt und äußern dies auch immer wieder. Wir freuen uns…
Holger verteilt Visitenkarten und Flyer und sie versichern ihm, ihn zu kontaktieren, wenn er helfen kann: „Das wird gerade im Winter sicher öfters der Fall sein.“ Unsichtbar ist bereit.

Mittlerweile sind einige Menschen ohne Heim zu uns gekommen – alte Bekannte und neue Gesichter. Wir versorgen sie mit dem, was wir anbieten und was sie davon möchten und bitten sie, auf sich aufzupassen. Das ist nicht einfach ein Spruch, den wir standardmäßig äußern – das meinen wir in jedem individuellen Fall wirklich so.
Wir müssen weiter – haben ja noch was zu tun! Wir fahren zu der Stelle, die für Susanne und mich etwas unheimlich war und verständigen uns per Handy, dass hier alles ruhig ist und die Personen, die hier Unterschlupf gefunden haben, schlafen. Wir warten einen Moment, aber es wacht niemand auf und wir beschließen, sie schlafen zu lassen und weiterzufahren.
Weiterzufahren bedeutet in diesem Fall: Es geht Richtung Lager. Bis Ennepetal fahren wir im Konvoi, dann Verabschiedung per Lichthupe und Warnblinkanlage, Holger fährt nach Hause und Susanne und ich Richtung Lager. Die üblichen Tätigkeiten nach Rückkehr, das Rolltor fährt runter und Susanne und ich fahren Richtung Hagen. Und zu dem, was wir ein Zuhause nennen dürfen.

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