Tour bis 5:00 Uhr

Karin schreibt…

Wenn die Tour schon vor Beginn gut anfängt…

Heute war ich noch mit einer Freundin verabredet, die u.a. Fragen zu UNSICHTBAR e. V. hatte – und das leider aus einem aktuellen Grund. Ihr Mann hörte aufmerksam zu, hatte ebenfalls Fragen, sagte, dass er es bewundernswert findet, was wir leisten und dass er Hochachtung davor hat. Natürlich freue ich mich über Anerkennung – kann aber gleichzeitig nicht gut damit umgehen, weil es für mich einfach eine Selbstverständlichkeit ist. Er gab mir zum Abschied Geld „für Kaffee oder Ähnliches, wenn ihr unterwegs seid“. Ich habe mich bedankt und gesagt, dass dieses Geld auf jeden Fall in der Spendendose landet! Ist es auch… 🙂

Ich habe seit nachmittags bereits Meldungen von Holger erhalten und bereite Ute, das Schnüffelmitglied, das mich heute begleitet und das ich von Zuhause abhole, vor, dass wir heute zunächst bestimmte Stellen anfahren.
Nachdem der Kangoo gepackt ist überlegen wir, wohin wir als erstes fahren und starten dann. Nicht an jedem Platz, der uns genannt wurde, treffen wir auf einen hilfsbedürftigen Menschen. Von einem haben wir zum Glück die Handynummer und verabreden uns mit ihm, da er sich nicht an dem verabredeten Platz aufhält. Kein Wunder: Es regnet. Wir finden ihn und statten ihn mit dem üblichen Equipment aus, das jeder erhält, der wirklich nichts hat, als das, was er am Körper trägt – vielleicht noch eine Tasche mit etwas zu trinken und zu essen oder was auch immer. Von Holger wissen wir einige Details, auch, dass er erst kurz auf der Straße ist. Und so sieht er auch aus – als wenn er von der Spätschicht aus einem Büro kommt… Und Ute und ich überlegen bei der Weiterfahrt, warum es so weit kommen musste…

Nachdem wir weitere Stellen angefahren sind, die als Meldungen reinkamen und niemanden antrafen, fahren wir Richtung Bergisches Land. Wir treffen einen unserer Bekannten nicht an, aber dafür zwei andere, die sich öfter zusammentun. Und wieder die Frage: Eint Obdachlosigkeit? Und wieder die Antwort: Manchmal schon, aber eher temporär.

Der eine Herr kennt uns, ist politisch bestens informiert, es macht Freude, sich mit ihm zu unterhalten. Er sagt von einem Politiker „der redet dumm Tüch!“, das würden sie im Norden so sagen. Ich muss lachen: „Ja klar, das kenne ich auch, ich komme aus dem Münsterland, zwar nicht wirklich im Norden, aber ‚dumm Tüch‘ kenne ich auch!“ Zur Erklärung: Das heißt „dummes Zeug“, ist plattdeutsch… 😉
Sein Begleiter ist völlig ausgehungert. Wir geben ihm eine Terrine nach der anderen, er murmelt unentwegt vor sich hin: „Hmmm lecker, vielen Dank!“. Es zerreißt mir wieder das Herz. Eine dösige 5-Minuten-Terrine löst so eine Begeisterung aus. Ich würde gerne – aber wir können nun mal keine qualitativ hochwertige Küche bieten, wir leisten das, was in unserem Rahmen möglich ist. Wir geben an beide viel Süßes und Eistee aus, Rucksäcke, Schlafsäcke, Isomatten, Hygienebeutel. Und eine Visitenkarte => bei Anruf Holger.

Wir fahren Richtung Hagen Stadt, da sehe ich aus dem Augenwinkel zwei wild mit den Armen wedelnde Herren – klar, wenden und anhalten. Ich kenne die beiden – jahaaaa – wieder zwei, die ich ins Herz geschlossen habe… wat auch sonst…

Klappe vom Kangoo öffnen und einfach freuen, die beiden mit dem, was sie möchten, versorgen zu dürfen.
Der eine Herr versucht, uns einen Witz zu erklären. Ute und ich haben ziemliche Verständnisprobleme. Plötzlich steht er auf, setzt seine Kappe verkehrt herum auf – und redet original so wie die Comicfigur Donald Duck. ORIGINAL!!! Ute und ich brechen zusammen 😄. Dann kommt noch Hakuna Matata – und man kann fast vergessen, warum wir vier hier zusammengetroffen sind…

Man kann es nicht beschreiben, man muss es erleben. Das, was es mit einem macht, wenn man nachts mit diesen Menschen zusammenkommt… ihnen helfen darf, mit ihnen redet, sie tröstet, aufbaut, Quatsch macht…
Wir trennen uns ungern – aber wir haben noch einen Treffpunkt vor uns und es ist schon sehr spät. Besser früh.
An unserm letzten Treffpunkt ist nicht viel los. Drei alten Bekannte, die froh sind, dass wir noch auftauchen, dürfen wir noch helfen. Sie wundern sich, dass wir um die Uhrzeit noch unterwegs sind. Aber genau um die Uhrzeit sind die zu finden, um die wir uns die meisten Sorgen machen.

Ich biete Ute an, sie nach Hause zu bringen, aber sie will noch mit zum Lager fahren. Sie möchte vielleicht auch einfach nur reden, reflektieren, was war, die Nacht gemeinsam ausklingen lassen.
Nach den üblichen Aktionen nach einer Tour bringe ich sie nach Hause, fahre den Rest – wie immer – alleine. Gedanken, Sorgen, Freude begleiten mich. Die nächst Tour steht bereits fest. Und das ist gut so.
===================================================================================
EHRENAMT BEI UNSICHTBAR e. V.
Das Ehrenamt bei UNSICHTBAR e. V. besteht nicht ausschließlich aus der Arbeit auf der Straße. Bring dich zum Beispiel in der Fahrzeugpflege mit ein, sortiere, packe und waschen und reinige regelmäßig unsere Fahrzeuge, denn auch das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.
Werde Teil von etwas Großem – werde ein Teil von UNSICHTBAR e. V.“