Was für eine Tour…

Karin schreibt…

Heute ist viel passiert – aber lest selbst!

Wir, Andreas (Schnüffelmitglied), Ute (Schnüffelmitglied, 1. Tour) und ich (Karin) sind heute unterwegs, fahren zunächst einen Parkplatz an, an dem wir des Öfteren obdachlose Menschen antreffen. Wir warten eine Zeit, laufen rum – und beschließen dann, weiterzufahren. Ich starte gerade den Kangoo, da ruft Andreas: “Warte mal kurz!“ Ein Mann nähert sich dem Kangoo, schwenkt eine Hand – wir rechnen mit einem Obdachlosen. Scheibe runter, er hält uns einen 5-€-Schein entgegen: “Ich möchte was spenden! Ich bin Hartz-4ler, ich weiß aber, wie das ist, wenn man auf der Straße lebt, das Geld ist noch nicht da, sonst würde ich auch 10 € spenden, deswegen nur 5, ihr seid einfach klasse!“ – Unfassbar. Uns fällt später nur ein Sprichwort dazu ein: Die, die am wenigsten haben, geben am meisten. Auf die Summe bezogen stimmt das natürlich nicht – aber prozentual gesehen… 🫶🏼

Wir starten in Richtung eines Nachbarorts, da dort mit Obdachlosen zu rechnen ist. Holger ruft an – ein junger Mann (nähere Beschreibung) hält sich dort auf, benötigt offenbar Hilfe. Da wir eh auf dem Weg dorthin sind, treffen wir kurze Zeit später an dem Bahnhof ein. Wir laufen rum, suchen mit Taschenlampen in dunklen Ecken – aber jemanden, auf den die Beschreibung passt, sehen wir nicht. Ich spreche 2 junge Männer mit Motorrädern an – nein, sie haben nichts gesehen. Aber wenn, wie sollen sie sich bemerkbar machen? Ich hole 2 Visitenkarten aus dem Kangoo, gebe jedem eine und sage, dass sie sie gerne aufheben können und uns informieren sollen, wenn sie nachts hilfsbedürftige Menschen sehen. Ich freue mich sehr über ihre Reaktion – man sollte vorsichtig mit Vorurteilen sein…

Kurze Zeit später rufen sie uns zu, sie hätten was auf dem Bahnsteig gesehen – offenbar haben sie wirklich die Augen offen gehalten. Und tatsächlich: Eine frische Blutspur ist entlang des Bahnsteigs zu sehen. Vorher ist uns eine zerschlagene Flasche mit alkoholischem Inhalt aufgefallen. Wir gehen auf den Bahnsteig und leuchten die Spur ab. Am Ende, dort, wo das meiste Blut war, führte die Spur direkt an den Rand des Bahnsteigs. Wir vermuten, dass jemand die Flasche zerschlagen und sich geschnitten hat, auf den Bahnsteig gegangen und in einen Zug gestiegen ist. Für uns gibt es nichts mehr zu tun.

Nächster Halt: Wir treffen wieder auf die hilfsbedürftige Dame, deren Sohn auf der Straße lebt. Bewusst und aus freiem Willen. Wir versorgen sie mit Obst und was Süßem und hören ihr zu – sie muss wieder ihr übervolles Herz ausschütten!

Erkundungsrunden, weit nach Mitternacht erreichen wir unsere letzte Anlaufstelle. Unterwegs und wenn wir halten, erkläre ich Ute, wie wir wann und wo und überhaupt handeln, reden, schweigen. Andreas kennt das meiste bereits. Es gibt viel zu erklären und zu beachten. Deckel der Terrine abreißen, Wasser druff, Löffel rein, fertig. Nein, so funktioniert das nicht. Das ist Kantinenausgabe. Wichtig ist immer noch ein persönliches Wort, ein Blick, ein Lächeln – und Teamarbeit!

Wir geben aus, Andreas führt die Liste, am Kangoo stehen so einige unserer Bekannten. Urplötzlich springt eine junge Frau vor die Wartenden, breitet die Arme aus, strahlt mich an: “Ich wollte mich nur bedanken!“ Irgendwie kommt sie mir bekannt vor… Sie nennt ihren Namen – und dann fällt es mir ein. Ich bin sprachlos. “Ich hätte dich fast nicht erkannt – du siehst super aus!“ Es sprudelt nur so aus ihr heraus… immer wieder danke… ohne uns hätte sie nie… hat eine Wohnung und Arbeit… spricht mich direkt an: “Du hast immer wieder so auf mich eingeredet, danke, danke“! Ich bin völlig überfordert… jaja, muss aufkommende Tränen runterschlucken. Stattdessen nehme ich sie in den Arm und drücke sie ganz fest. Ich werfe einen Blick auf Ute – die blinkert auch schon verdächtig mit den Augen. Andreas kann es auch kaum fassen, fragt nach und sie erzählt bereitwillig. Ute nimmt sie in den Arm, Andreas drückt ihr mit guten Wünschen fest die Hand und sie fällt mir zum Abschied noch mal um den Hals… Jesses… Jede Ausgabe, jede Hilfe, jedes Zuhören ist wichtig und gehört zu unserer Tätigkeit – aber so eine Reaktion wirft mich kurzfristig aus der Bahn…

Dann kehrt der “Alltag“ zurück. Ein liebenswerter guter Bekannter ist völlig abgestürzt, wird von einer Freundin gestützt. Wir raten ihr, sich mit ihm auf eine Bank in der Nähe zu setzen, wir bringen ihnen etwas zu Essen und zu Trinken. Sie hilft ihm.

Ein weiterer guter Bekannter bittet uns um Terrinen für jemanden. “Der liegt dahinten, der kann nicht kommen.“ Wir kennen das – natürlich bekommt er, was er braucht.

Plötzlich Gebrüll, Geschrei in einiger Entfernung. Ein Mann drückt eine Frau gegen die Wand eines Gebäudes, sie schreit, er brüllt. Andreas und Ute gehen gefolgt von den Ordnern der Deutschen Bahn zu ihnen, Andreas ruft die Polizei. Kurze Zeit später ist sie da, kassiert den Mann ein. Später fahren sie noch eine Runde, halten bei uns. Er ist bekannt, wird jetzt hoffentlich erst mal festgesetzt.

Mittlerweile schließen wir den Kangoo ein drittes Mal – und für heute auch das letzte. Am Lager erkläre ich Ute das noch notwendige Procedere, Andreas kennt das bereits und ich sage, dass er doch schon fahren könne. Nö. Andreas ist offenbar besessen… vom Teamgeist… 😄 – Und so verlassen wir zu dritt einträchtig das Lager.
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