Wer wem jetzt seine Möhre schenkt

Wer wem jetzt seine Möhre schenkt, wer sie vernaschen darf oder wieso Betonheringe extra einen auf die Mütze bekommen, was wir mittlerweile auf unseren Touren über intelligente Gürteltiere herausgefunden haben, die sich wie Anfangs vermutet nicht als Papiertüte verkleidet haben, sondern sich als Paketpost eines bekannten Onlinekaufhauses verschicken lassen, um längere Wege optimal zu verkürzen, um somit unbemerkt schneller von A nach B zu kommen.
 
Was Udo Jürgens Lied „Mit 66 Jahren“ und dem eines Straßenmenschen damit verbunden Wunsch zu tun hatte, welches ich gestern extra für ihn, in die Nacht hinein aufdrehte, dieser sich aber danach mit einem Grinsen entfernte und ich von meinem Straßenteam Gefahr lief, erschlagen zu werden, all das würde den Rahmen sprengen, würde ich es dann hier beschreiben, warum was nun eigentlich so ist oder war.
 
Und es bringt mich zu einer Überlegung, die vielleicht mal wieder tief geht, aber irgendwie Hand und Fuß hat und ja sie hat etwas mit dem zu tun, was wir eben tun.
 
Ich sitze hier, trinke mir einen Mate Tee, den ich aus einer Bombilla schlürfe und frage mich, warum ich eigentlich immer schreibe, dass wir das, was wir auf der Straße erleben, verarbeiten müssen – vielleicht müssen wir ja aber auch das Verarbeiten, das wir bereits mitbringen, wenn wir auf unsere Touren fahren?
 
(Achtung es folgt eine komplizierte Textpassage – wer sie nach dem dritten Mal lesen, nicht versteht, bitte den Rest lesen – wer es dann doch schafft – Willkommen in unserer kleinen verrückten Welt.)
 
Natürlich ist das Leben auf der Straße kein Bälle Paradies und auch keine Oase der Ruhe und es läuft auch kein singender Bär quer über den Marktplatz und schreit „Versuchs mal mit Gemütlichkeit“ – niemand findet diese Welt, derer die dort draußen leben witzig aber wenige machen sich auch Gedanken darüber, ob es nicht genau diese Menschen sind, die uns imaginär ihre Hand reichen und uns alle etwas erden, runterholen, begradigen, wenn es darum geht unsere Gedanken, die wir täglich von irgendwelchen toxischen Menschen aus der Gesellschaft, in der wir leben, dorthin mitnehmen, wo eben diese Menschen leben. All die Neider, Miesmachern, irgendwelchen Hinterhertretern und sich vor den Karren spannen lassern, die uns allen, wenn wir dann am Tag in unserer ach so tollen „gesunden Gesellschaft“ leben, vielleicht genauso viel Fragezeichen, Stress und Ärger auf Heimsen, von denen sich die Straßenmenschen wie oft schon gehört, mal eine Scheibe abschneiden sollten. Dann freue ich mich über jeden Menschen, dem ich auf der Straße begegne und über jede Person von ihnen die dort leben, die sich noch kein Beispiel an der gesunden Gesellschaft genommen hat, Menschen die mir, ohne hinterm Rücken zu reden, ihre ehrliche und offene Meinung sagen, ohne darüber nachzudenken, was die daraus folgenden Konsequenzen sein könnten.
 
Wobei kein toxischer Mensch denkt über das danach nach, sondern nur über sich selbst und vielleicht ist es genau das, wass uns fast schon täglich hinaus auf die Straße zieht, um eine gewissen Normalität zu finden.
 
Ok – Gedanken Ende – kommen wir nochmal auf den Bären zurück, der über den Marktplatz rennt – oder auch nicht, ist ja jetzt auch egal, es geht weiter im Text.
 
Ich empfinde es jedes Mal als eine Erholung, mich ins Fahrzeug zu setzen und mit all den Teams hinauszufahren, im Fahrzeug auch mal ein bisschen gaga sein zu dürfen und wenn wir dann die Türen öffnen, und all den vielen Straßenmenschen begegnen uns in eine, auch wenn es sich vollkommen bekloppt anhört, leichtere und neutralere Welt zu begeben.
 
Sowie Tanja, Olli und ich es gestern auch getan haben.
 
Zuerst fuhren wir zu einem Herrn, der sein Zelt nicht richtig aufgebaut hatte und somit in der vorletzten Nacht ziemlich nass wurde – was jetzt aber durch Olli`s und Tanja`s Einsatz behoben sein dürfte.
 
Danach fuhren wir auf unsere eigentlich kurzen geplanten Runde, die dann letztendlich doch bis um ca. 01:30 Uhr ging, nach Hagen, wo wir vielen alten aber auch sehr vielen neuen Straßenmenschen begegnet sind, von denen sich viele von ihnen einfach nur über einen Kartoffelpüree freuten, Menschen, die keine heilen Schuhe mehr an ihren Füßen hatten und es nicht glauben konnten, nach einem kurzen Blick in unser Fahrzeug, kurz drauf – neue und warme Schuhe ihr Eigen nennen zu dürfen.
 
Wir haben eine Nacht erlebt, in der wieder einmal alles dabei war – verzweifelte Menschen, laute und auch leise Menschen, traurig ausschauende Menschen aber auch lustige Gestalten und Menschen, die sich ihrer Lage sehr wohl bewusst wahren aber auch irgendwie einen Bär mit sich herumtrugen und all das irgendwie entspannt sahen.
 
Die Welt ist unterschiedlicher, als wir es alle vermuten, da wo Reichtum herrscht, muss nicht unbedingt das Glück aus dem Boden wachsen, da wo wir in Augen schauen, die ehrlich erscheinen aber weitem alles sind, nur nicht ehrlich und wenn man sich dann umdreht zur Waffe werden können, dort wo man Vertrauen vermutet, alles nur ein abgekatertes Spiel ist und dort wo man eigentlich gar nichts erwartet, Menschen vor einem stehen, die so gesehen nichts mehr zu verlieren haben und dich willkommen heißen, als würde man sie schon ewig kennen und man würde ein Teil ihres Lebens sein, dass so sehr wichtig ist, es freundlich und nett zu behandeln, Vertrauen schenken zu dürfen und sehr oft in den Augen lesen zu dürfen, wie dankbar sie eigentlich sind, selbst wenn es dann nur ein Flasche Eistee ist, die für sie an diesem Abend vollkommen ausreicht, um dann wieder zu gehen und zu wissen, nicht alleine zu sein.
 
Danke an mein Team, welches gestern so kurzfristig einfach mal eine Tour zusammengebracht hat, das uns wieder einmal allen gezeigt hat, wie wichtig Teamplayer sind und wie wichtig es ist – dort zu helfen, wo die Welt ein kleines bisschen anders ist und auch danke an all die anderen Teamplayer unseres Verein, die all das ermöglichen, weil auch wir, gemeinsam in einer Welt leben, die besonders und vielleicht ein kleines bisschen anders ist.