Wiedersehen

Bericht von der Tour mit Sabine am 25.01.2022

Wir fahren in die Nacht, um nach Obdachlosen, hilflosen Menschen und anderen Bedürftigen zu sehen.

Da, wo andere Menschen wegsehen oder durch sie durchsehen, sehen wir möglichst genau hin.

Wir sehen nach uns bekannten und auch nach uns gemeldeten neuen Plätzen, wir sehen in Hauseingänge und unter Vorsprünge, wir sehen inzwischen geräumte und leere Stellen, wir sehen verlassene Orte mit Sachen, wir sehen nach uns bekannten und auch unbekannten Menschen, die wir auf unserer Tour treffen.

Gestern waren Sabine und Frank auf so einer Tour.

Was sich in den letzten Tagen schon abgezeichnet hatte, bestätigte sich auch gestern.

Sehr wenig Menschen waren für uns sichtbar.

Wir hoffen, dass die, die wir nicht gefunden haben, sicher und geschützt untergekommen sind, am besten bei Bekannten oder in der Familie, wo sie auch Anschluss haben.

Wir haben aber auch uns bekannte Menschen an ihren normalen Stellen gefunden, die sich über heiße Getränke und Speisen, über Süßigkeiten für Leib und Seele und eine ISO-Matte zum bequemeren und wärmeren Liegen sehr gefreut haben.

Wer es sich nicht vorstellen kann, wie es sich anfühlt, sollte seine Hand bei Temperaturen um die 0°C einmal 2 Minuten auf den Boden legen.

Diese Kälte geht durch, sie geht durch Schuhe, Kleidung, Decken und normale Schlafsäcke.

Die sichtbare Freude und die netten, schon fast fröhlichen Gespräche, die dann immer zustande kommen, sind schon Belohnung genug für uns, um uns zu motivieren, in die Dunkelheit hinaus zu fahren.

Gestern haben wir aber noch mehr Glück gehabt, wir haben zwei alte Bekannte wiedergesehen, die längere Zeit nicht sichtbar waren.

Beiden konnten wir zwar nichts Materielles geben, da der eine alles hatte und die andere gerade von einer anderen Organisation gut versorgt wurde, aber die gegenseitige Freude und die Erleichterung bei uns waren auch ein gegenseitiges Geschenk.

Geschenk hört sich vielleicht übertrieben an, aber wenn man Menschen über einen längeren Zeitraum begleitet, ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen aufbaut, dann freut man sich wirklich, sie wohlbehalten nach längerer Zeit wiederzusehen.

Und wenn man in die Gesichter schaut und ihren Worten lauscht, dann ist es auf beiden Seiten gleich.

Diese positiven Gefühle nimmt man gerne mit auf die Heimfahrt, nach Hause und mit in seine letzten Gedanken vor den Träumen im gemütlichen Bett in der warmen Wohnung.

Deshalb fahren Sabine und ich oder unsere anderen 15 Vereinskameraden vom Strassenteam auch heute und an den anderen Tagen wieder in die Nacht, um zu helfen und um liebe Menschen wiederzusehen.

Wiedersehen ist schön.

Auf Wiedersehen!