Wir machen das, weil wir es wollen, es zwingt uns keiner dazu.
Ein Tourbericht von Frank Rösner, der gestern mit Tanja (Tagliatella Carbonare) und Sabine Heile auf Tour war.
Es war nicht schön!
Es war nicht schön, sich am Abend aufzuraffen, von der Couch runter- und aus dem warmen Wohnzimmer rauszubewegen, sich wieder anzuziehen, draußen die Scheiben frei zu kratzen, in traurige Hundeaugen zu sehen, weil man weggeht, und zu Uhrzeiten, wo andere ans Schlafengehen denken, in die Nacht rauszufahren.
Aber, machen wir das, weil es schön ist?
Nein.
Wir machen das, weil wir es wollen, es zwingt uns keiner dazu.
Aber draußen sind Menschen, die keine Couch haben, geschweige denn ein warmes Wohnzimmer, die bei der Kälte froh sind, wenn sie sich warm anziehen können, die sich oft sicher freuen würden, wenn jemand traurig hinter ihnen hersieht, wenn sie weg gehen.
Nach dem Treffen sind wir nach Bochum gefahren. Die Weihnachtsmärkte erschweren es, in die Innenstädte zu kommen. Für uns ist es gut, dass die meisten Märkte schließen, wenn wir losfahren, so sind zwar noch die Buden und Stände in den Städten, aber die Innenstadt ist nicht mehr so bevölkert.
Wir sind einige bekannte Plätze angefahren, oft haben wir Menschen getroffen, die sich gefreut haben, uns zu sehen, aber manche Plätze waren total leer oder nur mit den Habseligkeiten belegt und deren Besitzer waren noch unterwegs. Auch das kann natürlich eine Folge der Weihnachtsmärkte sein, wenn es zu voll und unruhig wird.
Wir bemerkten gestern auch ein weiteres Anzeichen des bevorstehenden Winters. Neben vielen heißen Getränken und heißen Suppen oder Grießbrei sowie wintertauglichen Schlafsäcken wurden wir zweimal nach Papiertaschentüchern gefragt. Diesen Wunsch konnten wir aus unserem gut ausgestatteten Wagen natürlich auch erfüllen. Es beginnt die Erkältungszeit, gerade im feuchtkalten Klima auf der Straße ist das weitaus gefährlicher als zu Hause im Warmen.
Wie schon geschrieben, haben wir einige Menschen getroffen, alleine und in Gruppen, immer gab es ein freundliches „Guten Abend“ bis zu einem fröhlichen „die Unsichtbaren sind da“.
Im Gespräch mit einer Gruppe kam auf einmal ein Passant vorbei, es sah so aus als käme er vom Sport, Jogginghose, Hoodie, Sporttasche. Er ging zu einem der Menschen, drückte ihm einen Zehn-Euro-Schein und viel Silbergeld in die Hand, sagte „Aber teilen!“ und ging wieder weiter. Das ging so schnell, dass alle verblüfft einfach herumstanden und nur noch ein „Vielen herzlichen Dank!“ hinterherrufen konnten.
Auch wir danken diesem freundlichen Herrn, vielleicht liest er es ja hier.
Das Geld ist sicher wichtig, aber die Geste noch wichtiger. Dazu gleich noch mehr.
Nach einem netten Plausch mit den Menschen, ein paar Späßen von beiden Seiten, ging es weiter.
Wir fuhren zu einem anderen Ort, wo eine Gruppe uns auch freudig begrüßte. Hier waren zwei uns bisher noch nicht bekannte Herren dabei, die sich von sich aus selbst vorstellten.
Der eine freute sich über Kaffee und heiße Nudeln, der andere wollte nichts haben, kam aber trotzdem auf uns zu.
Von sich aus erzählte er uns kurz von seinen Krankheiten, erklärte schon fast entschuldigend, dass er eine Wohnung und einen Job hätte, er aber abends gerne in der Gruppe ein Bierchen trinken würde. Er berichtete, dass er Unsichtbar schon lange kennen würde, schon in der Zeit, als wir ein e.V. erst werden wollten. Wir konnten ihm berichten, dass wir das schon jetzt lange sind und auch gemeinnützig wären und wir uns ehrenamtlich um die Menschen kümmern würden.
Er fand das toll und wir bekamen mehrmals Lob von ihm.
Und dann erklärte er uns unseren Ansatz und die Bedeutung unseres Vereinsnamens, nämlich dass wir uns um die kümmern würden, die für die große Mehrzahl der Menschen „unsichtbar“ sind, selbst wenn sie einen Meter an ihnen vorbei gehen. Sich um diese Menschen zu kümmern, ihnen Aufmerksamkeit und Fürsorge zu schenken, das würde ihnen helfen, zumindest weniger unsichtbar zu sein.
Wir bedankten uns für seine wahren Worte, die wir erst einmal sacken lassen mussten.
Kurz drauf gingen wir durch den Bahnhof, um nach Menschen zu sehen, die uns auch irgendwie brauchen würden, kamen an der Security vorbei, grüßten freundlich, wurden zurückgegrüßt. Auf dem Rückweg trafen wir die beiden Herren wieder und wurden angesprochen.
Drei Menschen um diese Uhrzeit mit auffälligen und gleichen Jacken, das erregte ihre Neugierde. Was Unsichtbar e.V. bedeuten würde und was wir machen würden.
Wir erklärten unseren Verein und unser Wirken, bekamen von den beiden aufmerksam zuhörenden Herren positive Rückmeldung und sie erklärten auch, dass sie auch immer ein Auge offen halten würden, um zu helfen, wenn es notwendig wäre.
Dies glaubten wir den beiden unbesehen, zumal wir kurz vorher an einem Herren vorbei kamen, der sich im Bahnhof aufhalten durfte, von dem die beiden Security-Männer sagten, sie ließen ihn mit seiner Gehbehinderung dort, weil es dort wärmer und windgeschützt ist. Wir gaben ihnen unsere Visitenkarten und sie versprachen von sich aus, anzurufen, wenn sie Bedürftige sehen würden. Anscheinend wechseln sie immer ihre Arbeitsplätze, weshalb wir noch einmal unseren Aktionskreis beschrieben haben.
Mit gegenseitigem freundlichen Lob und ebensolchen Grüßen verabschiedeten wir uns.
Hier schließt sich durch diese beiden Gespräche wieder der Kreis zu dem sportlichen Geldspender. Es ist wichtig, die Augen offen zu halten und auch mal auf diese Menschen zuzugehen. Selbst wenn sie gerade einmal nichts brauchen, freuen sie sich sicher, dass sie nicht unsichtbar sind. Wenn sie etwas brauchen, kann eine kleine Aufmerksamkeit schon Freude schenken, ansonsten kann man uns gerne anrufen.
Zum Schluss fuhren wir noch in eine andere Stadt, um an zwei Plätzen nach Personen zu schauen, die dort bereits angetroffen wurden, aber letzte Nacht war dort niemand.
Schon etwas müde sind wir dann nach Hause gefahren und haben gehofft, dass alle die Menschen, die wir an den bekannten Stellen nicht angetroffen haben, bei dem bitterkalten Wetter woanders gut untergekommen sind.
Es war nicht schön!? Doch, es war schön, wir haben wieder Freude geschenkt, haben wichtige Sachen verteilt, gute und wichtige Gespräche geführt und eine überraschende noble Geste gesehen.
Es hat sich gelohnt, zu den Menschen in die Nacht rauszufahren. So wie jede Nacht.