Gestern Abend

Gestern Abend war ich eingeladen zum Stadtgebet in der Allianzgebetswoche 2025. Stattgefunden hatte das Ganze um 19:00 Uhr in der Stadtbücherei Ennepetal.
Ich war viel zu früh und der Raum war riesig. Auf meine Frage, ob es denn hier noch voll wird, kam die Antwort: „In der Regel schon.“ Also. Dann war ich für einen kurzen Augenblick in mein Handy vertieft, um etwas zu schreiben, in den Terminen von heute – also gestern – von morgen etwas zu schauen, und dann war da noch dieser Ohrwurm, den ich endlich loswerden wollte, damit er mich in Ruhe ließ.
Es dauerte gar nicht lange, da waren all die bunten Sessel um mich herum gefüllt – viele Menschen waren plötzlich da. Und dann ging es auch schon los, das Stadtgebet unter dem Motto „Hoffnung“.
Irgendwann wurde ich aufgerufen, nachdem bereits die Leiterin der KISS, die Pressesprecherin der Stadt Ennepetal und auch die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Ennepetal etwas zu diesem Thema gesagt hatten.
Als ich nach vorne ging, hörte ich aus der Reihe neben mir jemanden sagen: „Ach, der Obdachlose.“ Und ich bin mir sicher, es wurde gesagt oder gemeint: „Ach, der, der sich um Obdachlose
kümmert.“ Keine Ahnung – es war trotzdem irgendwie spooky, weil es ja irgendwie schon alles in meinem Leben gab und all das, was ich in meinem Leben bereits gelebt habe, irgendwie alles dazu führte, diesen Verein heute zu begleiten – außer in dieser Obdachlosigkeit jemals gelebt zu haben. Und so soll es auch bleiben – bitte und hoffentlich. Aber auch da steckt man nicht drin, denn es kann jeden treffen. Weniger gerne gehört oder gelesen, dafür viel mehr von denen, die es erlebt haben, im Nachhinein dann doch geglaubt und leider auch gelebt.
„Auch hier ist Hoffnung verborgen“
Es gibt da so einen Spruch:
„Bevor du über mich und mein Leben urteilst, zieh meine Schuhe an und geh meinen Weg.“
Ja, und dann durfte ich das tun, was ich nach der Obdachlosenhilfe auf der Straße an zweiter Stelle am liebsten tue. Ich sage etwas über UNSICHTBAR, etwas über mich, über Oma, über Ben, über die Welt, über die Menschen, über Sucht und Krankheiten wie die Psyche. Über das Leben und auch über meine Schuhe, die so manch einer denkt, schon getragen zu haben, in die aber längst niemand reinpasst, um überhaupt nur im kleinsten Ansatz darüber nachdenken zu können, wie es sich anfühlt, in ihnen laufen zu können, geschweige denn darüber erzählen zu können.
Taschentuchalarm – wie immer bei meinen Vorträgen und Erzählungen brauchst du Taschentücher, weil es eben emotional wird. Das gehört dazu.
Und auch wenn ich ehrlich gesagt sehr müde von den letzten Tagen und Wochen war/bin, erinnerte mich dieser Gottesdienst wieder an meine Oma – der komplett anders war, als die damals in der St. Marienkirche in Witten, wo Oma immer mit mir hinging.
Ich glaub ja, sie hätte es auch schön gefunden. Und dann war ja noch das Thema „Hoffnung“. Wie ich finde, genau das richtige Thema für unsere Zeit – etwas, wovon man gar nicht genug bekommen kann, etwas, woran man sich gar nicht genug klammern kann. Und das nicht nur in dieser brisanten Situation auf der ganzen Welt, sondern auch in unserem Bereich.
„Für wen sollen wir beten, wurde ich im Anschluss gefragt?“ Und ich antwortete:
Natürlich für die, die da draußen leben, für die, die kaum was haben, aber ganz besonders für die, die noch immer nicht verstanden haben, dass es Menschen sind, die auf der Straße leben. Dass es Menschen sind, die man ansprechen kann, die man fragen kann, wie es ihnen geht. Und würden das viel mehr von uns tun, gäbe es – da bin ich mir sehr sicher – viel weniger Kältetote, wie schon in den vergangenen Jahren.
Auf dem Weg durch Ennepetal zum Auto wurde mir wieder einmal bewusst, wie wichtig Hoffnung ist, wie wichtig solche Formate sind, in denen wir uns vorstellen dürfen, und wie wichtig es ist, unsere Vorträge vortragen zu dürfen. Und deshalb meine Bitte an euch alle:
Ladet uns ein, hört, was wir zu sagen haben, auch dann, wenn euch das eine ganze Packungen Taschentücher kosten wird.
Vielen Dank für das Sein dürfen.