Hyggelig in der Vorweihnachtszeit
Karin schreibt…
2. Dezember – der 1. Advent liegt hinter uns. Die übliche, vorweihnachtliche Hektik beherrscht die Straßen und sicherlich auch so manche Wohnung. An Fenstern, Türen, Bäumen, Hecken, Büschen wachsen Lichter wie Pilze aus dem Boden. Es leuchtet, blinkt, vermittelt wohlige, heimelige Stimmung, „hyggelig“ aus dem Dänischen hat sich schon längst in den deutschen Sprachgebrauch geschlichen und beschreibt die Stimmung perfekt. Ich mag diesen Ausdruck, er klingt wirklich so, wie er gemeint ist.
Das Lager in Ennepetal jedoch sieht aus wie immer, das Deckenlicht ist alles andere als hyggelig und von Hektik keine Spur – eher von Betriebsamkeit, denn Holger und ich laufen hin und her und packen den Kangoo. Die Schlafplätze und Rückzugsorte der Menschen da draußen, die auf uns warten oder die wir suchen, sind ebenfalls von Hyggeligkeit weit entfernt. Aber wir können ihnen zumindest die Nacht erträglicher machen, ihnen so viel zu essen und zu trinken geben, wie sie für diese Nacht brauchen und möchten und dafür sorgen, dass sie zumindest etwas weniger frieren.
Ich glaube kaum, dass sich jemand der vorweihnachtlichen Stimmung entziehen kann, es sei denn, er ist wie der Grinch – und selbst der wurde am Ende umgestimmt. Wie mag es in dieser Zeit, in der Worte wie besinnlich, fröhlich, friedlich, glücklich, froh und Zufriedenheit überall auftauchen, den Menschen gehen, die Tag für Tag, Nacht für Nacht um ihr Leben kämpfen? Die von einem Tag auf den anderen leben? Vieles kann man sich vorstellen, vieles jedoch muss man erlebt haben, um es verstehen und nachempfinden zu können. Dazu gehört mit Sicherheit das Leben auf der Straße. Da reicht es nicht, die Menschen zu sehen, mit ihnen zu reden, ihnen helfen zu dürfen, zu sehen, wo sie sich versteckt halten. Das berührt zutiefst, klingt lange nach… aber WIRKLICH nachempfinden können wir es nicht. Ihnen ihr Leben ein klein wenig zu erleichtern ist unser Herzensprojekt und je länger ich bei UNSICHTBAR e. V. bin, desto wichtiger wird es für mich. Routine oder Ermüdungserscheinungen? Oh nein, ganz und gar nicht.
Und so starten Holger und ich wieder in die Nacht mit dem Wunsch, zu helfen. Es ist eine ruhige Tour, wir treffen nur wenige Obdachlose – aber sie gefunden zu haben und die Gewissheit, dass sie für die Nacht versorgt sind, lässt uns beruhigt weiterfahren. Und wir hoffen, sie bald wiederzusehen. Und wenn schon nicht in einem besseren, dann zumindest nicht in einem schlechteren Zustand.